Jillian Hunter
haben es überstanden", schnarrte er. Er demütigte sie noch weiter, indem er das Korsett aufhob und es zwischen ihnen baumeln ließ. „Und wozu haben Sie das hier getragen, wenn die Frage gestattet ist?"
Sie lehnte sich bequemer gegen das Kopfteil und weigerte sich, seinen Gedankengängen zu folgen. „Sie sagen, dass Sie bis hierher gejagt wurden?"
„Das sagte ich."
Er untersuchte das aufreizende Wäschestück voller nach- denklicher Belustigung, beinahe so, als stellte er sich vor, wie sie darin aussah.
Sie befeuchtete ihre Lippen. Würde er sie dazu zwingen, das Korsett für ihn anzuziehen? „Wissen die Leute, die Sie gejagt haben, dass Sie sich in meinem Zimmer verstecken?"
„Nein." Er blickte auf und sah in ihre ängstlichen blauen Augen, als er leise weitersprach. „Und Sie werden es auch nie- mandem sagen, nicht wahr?"
Die Anspannung zerrte an ihren Nerven. Wenn er sie auffor- derte, irgendwelche seltsamen Dinge vorzuführen, würde sie lieber selbst aus dem Fenster springen, beschloss sie. Nach- dem sie mit fünf ungestümen Brüdern hatte fertig werden müssen, war sie nicht eben wehrlos. „Warum sollte ich das irgendjemandem erzählen?" Voller Entrüstung erhob sie ihre Stimme. Es lag nicht in Chloes Natur, sich klaglos in irgendet- was zu ergeben, eine weitere Eigenheit ihrer Familie, die ihr schon oft Schwierigkeiten eingehandelt hatte. „Warum sollte es mir etwas ausmachen, wenn ein Mann in mein Zimmer ein- dringt und mich mit roher Gewalt herumkommandiert?"
Bei ihrem Ausbruch hob er die dichten schwarzen Augen- brauen und räusperte sich. „Würde es Ihnen etwas ausma- chen, ein wenig leiser zu sprechen? Ich habe nur getan, was notwendig war. Seien Sie gewarnt - ich werde das auch wei- terhin tun."
„Aber ... was wollen Sie von mir?"
„Dieses Haus und dieses Land gehörten einmal mir", sin- nierte er. „Ihr Onkel hat es mir abgekauft. Sind Sie sich des- sen bewusst?"
„Vermutlich hat er es mir erzählt. Ich erinnere mich nicht."
„Sie wissen aber, wer ich bin?", fragte er sie. Es war eher eine Feststellung als eine Frage.
Chloe sah zu, wie er die Pistole aus seinem Hosenbund nahm und sie neben sich auf das Bett legte. „Der Geist von Stratfield", sagte sie, ohne nachzudenken. Sie blickte in sein dunkles, sardonisches Gesicht hinauf. „Lord Stratfield, meine ich."
„Ah." Seine grauen Augen glitzerten voller Ironie. „Die Sa- ge blüht und gedeiht. Sagen Sie mir - der Dorfklatsch dringt nur langsam bis in mein Grab vor -, spiele ich immer noch meine nächtlichen Streiche?"
Chloe wurde tatsächlich rot, als sie sich an die fleischlichen
Sünden erinnerte, die ihre Tante und so ziemlich jeder in der Gemeinde dem Geist unterstellt hatten. Noch vor einer Stun- de hatte sie sich beinahe gewünscht, dass er diese Sünden an ihr begehen würde, so sehr fehlte es in ihrem Leben an Auf- regung. „Sollen wir einfach sagen, es heißt, Sie genießen ein sehr aktives Leben nach dem Tode?"
Er schenkte ihr ein bitteres Lächeln. „Wenn das nur zutref- fen würde."
Einen Moment lang herrschte Stille. Chloe riskierte noch einen Blick auf die Pistole, die zwischen ihnen lag. Von unten drangen Geräusche hinauf, das Tor quietschte, und ein Pferd wieherte. Dann erklangen eine Männerstimme von der Auf- fahrt und ein festes Klopfen an der Vordertür.
Auch er hatte es gehört. Sein Blick schoss wieder hoch zu Chloe. Er wirkte jetzt unverhüllt feindselig und misstrauisch. „Etwas spät für einen Besucher, nicht wahr?"
Sie konnte nur nicken und auf Rettung hoffen. Ja, es war spät, aber wenn ein aufmerksamer Dienstbote Stratfield ge- sehen hatte, als er in ihr Zimmer geklettert war, konnte ihr Onkel jeden Augenblick ins Zimmer stürzen, und sie wäre ...
„Ruiniert", überlegte sie laut. „Oh, Sie dummer Mann. Ist Ihnen klar, was mit meinem guten Namen geschieht, wenn Sie hier entdeckt werden? Ist Ihnen bewusst, was meine Brüder mit uns beiden anstellen werden? Ich soll mich in Chistlebury benehmen."
Er nahm seine Waffe und glitt vom Bett herunter, wobei er vor Schmerz das Gesicht verzog. „Im Augenblick ist Ihr Ruf meine geringste Sorge."
„Nun, ich danke Ihnen sehr ..."
Sie schnappte nach Luft, als er gegen sie strauchelte, und hob unwillkürlich die Arme, um ihn zu stützen. Der Impuls war da, bevor sie ihn unterdrücken konnte. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn sie ihn hätte zusammenbrechen lassen. Der körperliche Kontakt und der Schreck, seinen harten Kör- per an
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