Jillian Hunter
Haar.
„Der küssende Straßenräuber, Devon. Du musst damit auf- hören."
Er stieß einen verärgerten Seufzer aus. „Das war ich nicht... Ich scheine eine Mode angefangen zu haben, Chloe. Es ist mir verdammt peinlich, wenn du es unbedingt wissen musst. Ge- langweilte junge Männer überfallen Kutschen, um Küsse zu stehlen."
„Und ihr Leben zu riskieren", fügte Chloe hinzu und mus- terte ihn dabei genau.
„Nun, ich kann nichts für ihre Dummheit."
Sie zögerte. „Das warst du wirklich nicht?"
„Großer Gott, nein. Ob du es glaubst oder nicht, ich war ganz brav und habe dem alten Cousin Richard geholfen, Or- chideen einzupflanzen. Was ist mit dir?" Er lehnte sich gegen den Toilettentisch und blickte sie reumütig an. „Du lechzt nach ein wenig Aufregung, nicht wahr?"
Sie wich seinem scharfen Blick aus. „Du hast ja keine Ah- nung." Und er hätte ihr auch nicht geglaubt, wenn sie ihm ge- nau erzählt hätte, wie viel markerschütternde Aufregung sie
seit seinem letzten Besuch durchlebt hatte. Sollte sie es ihm sagen?
„Du hast einen Mann kennengelernt", mutmaßte er zu- gleich belustigt und besorgt.
Sie blickte ein wenig zu schnell auf, um nicht schuldbe- wusst zu wirken. „Das war ein Liebesbrief, den du da gelesen hast, nicht wahr? Gütiger Himmel, Chloe, verliebe dich nicht in so einen Bauerntölpel. Unser Exil wird nicht mehr lange dauern."
„Das hoffe ich allerdings auch", stimmte sie zu. Sie zögerte einen Augenblick. „Devon, niemand wird je etwas darüber erfahren, aber du warst immer ehrlich zu mir. Glaubst du, Brandon hatte vielleicht etwas mit dem Geheimdienst zu tun, nachdem er England verlassen hatte?"
„In der ehrenvollen East India Company? Ich bezweifle es. Andererseits ..." Er begegnete ihrem Blick. „Es sollte kein Ge- heimnis sein, nicht vor dir, nicht jetzt, wo er tot ist. Ich glaube, er hat in Portugal ein paar Botschaften für Heath überbracht. Stell dir das vor, den Krieg zu überleben, nur um dann von Fanatikern umgebracht zu werden! Es scheint nicht richtig, oder?"
Chloe schüttelte den Kopf. Sie fühlte sich hin und her geris- sen. Einerseits wollte sie sich ihm anvertrauen, andererseits fühlte sie sich an das Versprechen gebunden, das sie einem Mann gegeben hatte, den sie kaum kannte. Sollte sie ihr Wort Dominic gegenüber brechen? Schließlich konnte man sie kaum an einen Eid binden, den sie abgelegt hatte, während er sie aufs Bett geworfen und praktisch als Geisel gehalten hatte. Aber ... ein Versprechen war ein Versprechen, und wenn das die einzige Möglichkeit war, zu erfahren, was wirklich mit Brandon geschehen war, dann musste es so sein.
Außerdem würde Devon möglicherweise vom Schlimmsten ausgehen. Er würde vielleicht glauben, dass Chloe hoffnungs- los kompromittiert worden war. Mit seinem männlichen Be- schützerinstinkt würde er Dominic verfolgen, und dann wäre der Teufel los. Chloe würde sich inmitten eines neuen Stur- mes wieder finden. Egal, wie sie sich entschied, Auseinander- setzungen und Tadel hatte sie in jedem Fall zu erwarten. Sie blickte auf. „Ich vermute, du bist gekommen, um dir
mehr Geld zu holen."
Er hob die Augenbrauen. „Eigentlich bin ich gekommen, weil ich mir Sorgen um dich gemacht habe. Der alte Richard ist recht großzügig, aber ich weiß nicht, wie lange ich noch bei Vernunft bleibe, wenn ich weiterhin ununterbrochen Pflan- zen umtopfen muss."
„Warum machst du dir Sorgen um mich?"
„Nur so ein Gefühl, Chloe. Na gut. Ich weiß, dass es sich dämlich anhört, aber ich hatte einen albernen Traum, in dem du in Gefahr warst." Er legte die Hände auf ihre Schultern. „Das bist du doch nicht, oder? Ich meine, du beabsichtigst nicht, mit einem neuen blöden Kavallerieoffizier durchzu- brennen? Grayson und Heath reißen mir den Kopf ab, wenn ich so etwas zulasse."
Chloe spürte, wie ein kalter Schauer sie durchlief. Sie hatte Devon noch nie angelogen. Er hatte einen sechsten Sinn, was manche Dinge anging, und sie täuschte ihn nur ungern. Jetzt, wo Brandon tot war, war Dev der beste Freund, den sie hatte. Trotzdem war sie noch nicht dazu bereit, ihr Geheimnis mit ihm zu teilen. Sie musste sich erst selbst über einiges klar wer- den.
„Ich habe wirklich einen Mann kennengelernt, wenn du es wissen musst." Sie lächelte in sein besorgtes, gut aussehendes Gesicht hinauf. „Es ist Justin Linton, und, ja, er hat Steinchen gegen mein Fenster geworfen und mir zu Ehren schreckliche Gedichte geschrieben. Aber er ist
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