Jim Knopf 02 - Jim Knopf und die Wilde 13
Fachmann zurzeit nicht da. Übrigens, er heißt Uschaurischuum. Kennt ihr ihn vielleicht zufällig?«
»Leider nein«, sagte Lukas.
»Ach, er ist ein reizender Schildnöck«, versicherte das Meermädchen träumerisch, »er ist ungefähr in meinem Alter, so um die zehntausend Jahre herum.«
»Was Sie nicht sagen, kleine Dame«, meinte Lukas, »so jung noch?«
»Ja«, erwiderte die Seeprinzessin, »und er ist unglaublich gescheit.«
»Bitte«, ließ sich jetzt Jim vernehmen, »was is' ein Schildnöck?«
»Das wisst ihr nicht?«, rief die Seejungfrau ganz verwundert. »Ein Schildnöck, das ist ein Nock mit einem Schild auf dem Rücken, so wie eine Schildkröte eine Art Kröte mit einem Schild auf dem Rücken ist. Und Nock, das ist bei uns der Name für einen Wassermann. Er sieht so ähnlich aus wie ich, nur dass er keinen Fischschwanz hat, sondern dafür einen Schild, versteht ihr?«
»Das ist aber bestimmt sehr anziehend«, meinte Lukas freundlich. »Nicht wahr?«, lispelte das Meermädchen beglückt und lächelte. »Das finde ich auch. Es sieht so elegant aus. Und dass er so gescheit ist, das kommt, glaube ich, von seiner Verwandtschaft. Schildkröten sind ja auch so sehr weise Tiere.«
»Wo steckt er denn jetzt?«, erkundigte sich Lukas.
»Ja, seht ihr«, seufzte die Seejungfrau niedergeschlagen, »das ist eben die traurige Geschichte. Eigentlich ist mein Papa daran schuld. Uschaurischuum ist nämlich mein Bräutigam und mein Vater hat ihm eine Aufgabe gestellt, die er lösen soll. Und wenn Uschaurischuum sie lösen kann, hat mein Vater gesagt, dann dürfen wir uns heiraten. Aber die Aufgabe ist so furchtbar schwer, dass ich fürchte, es gibt auf der ganzen Welt überhaupt niemanden, der sie lösen kann. Mein Bräutigam hat beim Abschied zu mir gesagt, so in zweihundert oder dreihundert Jahren würde er spätestens wiederkommen, aber nun ist er schon vierhundert Jahre weg. Ich habe nicht einmal einen Brief von ihm bekommen und vielleicht lebt er auch schon längst nicht mehr.«
Hier brach die Meerprinzessin in Tränen aus und schluchzte ganz herzzerbrechend. Und wenn eine Seejungfrau weint, dann vergießt sie nicht nur ein paar kleine Tränen wie ein Menschenmädchen, das könnt ihr euch wohl vorstellen. Sie ist ja sozusagen ein ganz und gar wässriges Geschöpf. Und so liefen der kleinen Sursulapitschi richtige Bäche aus den Augen. Es spritzte nur so, beinahe als ob man einen Schwamm ausdrückt. Die beiden Freunde waren ganz bestürzt über so viel Kummer und Lukas meinte begütigend: »Er wird schon wiederkommen, kleine Dame. Aber was ist denn das für eine schwere Aufgabe, die König Lormoral ihm gestellt hat?«
»Mein Bräutigam soll das ›Kristall der Ewigkeit‹ machen«, erklärte die Seejungfrau und schluckte.
»Das was?«, fragte Jim.
»Das ›Kristall der Ewigkeit‹«, wiederholte Sursulapitschi, »das ist ein ganz besonderes Glas, das niemals entzweigeht. Man kann es schmieden und hämmern wie Metall, aber nichts kann es zerstören. Dabei ist es klar und durchsichtig wie das reinste Wasser. Habt ihr die Krone auf dem Haupt meines Vaters gesehen? Sie ist aus diesem ›Kristall der Ewigkeit‹ und besteht schon, seit es Meerbewohner gibt. Sie ist vor unausdenkbar langer Zeit von einem großen Meereskünstler gemacht worden und ist heute noch ebenso schön und makellos wie damals.«
»Ach«, sagte Jim und seine Augen wurden ganz rund vor Staunen, »aus was wird denn das Glas gemacht?«
»Wer das Geheimnis kennt«, antwortete die Seejungfrau, »kann jedes Metall, Eisen, Blei oder Silber oder irgendein anderes, in ›Kristall der Ewigkeit‹ verwandeln. Aber es gibt immer nur ein Wesen, das dieses Geheimnis kennt. Und erst wenn das Wesen stirbt, ernennt es einen Nachfolger und sagt ihm ins Ohr, wie dieses wunderbare Glas gemacht wird.«
Lukas meinte bedenklich: »Dann wird Uschaurischuum aber vielleicht noch lange warten müssen, falls er den Betreffenden überhaupt findet, der ihm das Geheimnis sagen kann.«
»Nein«, entgegnete die Seejungfrau, »mein Bräutigam ist ja selbst der letzte Nachfolger. Er hat die wunderbare Wissenschaft von einem alten Tiefseemeister gelernt.«
Die beiden Freunde blickten sich verblüfft an.
»Dann ist doch alles in bester Ordnung!«, rief Lukas aus.
»Ach«, seufzte die Seejungfrau, »wenn es nur darum ginge, das Geheimnis zu wissen, dann wäre alles gut. Leute, die es wussten, hat es bei uns immer gegeben und doch ist seit mehr als hunderttausend Jahren
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