Jim Knopf 02 - Jim Knopf und die Wilde 13
lichtete das Schiff sofort wieder seine Anker und fuhr mit vollen Segeln in Richtung Mandala davon.
Wenige Tage später, an einem strahlenden Morgen, legte das kaiserliche Staatsschiff, von jubelndem Volk und mehreren mandalanischen Musikkapellen begrüßt, an dem gleichen Kai an, von dem es vor einem Jahr mit denselben Reisenden nach Lummerland abgefahren war. Es war sogar auf den Tag genau ein Jahr her, also musste noch heute der schlafende Drache aufwachen.
Als zuerst Lukas und hinter ihm Jim und Li Si Arm in Arm den Landesteg vom Schiff herunterschritten, sahen sie plötzlich vier Sänftenträger aus der Ferne herangaloppieren, die auf zwei dicken, vergoldeten Stangen einen riesenhaften, aber, wie es zunächst schien, leeren Sessel trugen.
»Lasst mich herunter! Lasst mich herunter!«, rief aufgeregt ein zwitscherndes Stimmchen und schließlich entdeckten die Reisenden zwischen den Kissen des Sessels ein winziges Kerlchen, das einen goldenen Schlafrock anhatte.
»Ping Pong!«, rief Lukas erfreut. »Schön, dich mal wieder zu sehen!«
Der Sessel wurde niedergesetzt und dann schüttelten die beiden Freunde und Li Si dem kleinen Oberbonzen vorsichtig die Hand. Das Kerlchen war inzwischen natürlich gewachsen und hatte nun ungefähr die doppelte Größe einer Hand. Ping Pong verneigte sich vor Freude ununterbrochen bis an den Boden und piepste:
»Nein, was für eine Freude, ihr ehrenwerten Führer einer ordengeschmückten Lokomotive! Ich bin außer mir vor Entzücken, unsere blütenblattgleiche Prinzessin Li Si zu sehen! Ich weiß mir vor Glück kaum zu helfen, euch wohlbehalten, gesund und guter Dinge begrüßen zu dürfen.«
Das dauerte eine ganze Weile, und als Ping Pong sich endlich ein wenig gefasst hatte, fiel ihm ein, dass man den erhabenen Kaiser nicht länger warten lassen dürfe, da dieser sowohl sein Töchterchen als auch die beiden erlauchten Lokomotivhelden sehnlichst an sein Herz zu drücken wünsche.
Also bestiegen die Reisenden mit dem kleinen Oberbonzen zusammen eine bereitstehende, bunt bemalte mandalanische Kutsche mit sechs weißen Pferdchen davor und fuhren nach Ping, wo alle Straßen mit Blumengirlanden geschmückt waren. Eine unübersehbare Menschenmenge mit Kindern und Kindeskindern empfing auch hier die Ankommenden unter brausenden Hochrufen. Auf den neunundneunzig Silberstufen, die zum Palasttor hinaufführten, erwartete sie der erhabene Kaiser in eigener Person.
»Meine edlen Freunde!«, rief er ihnen schon von Weitem zu und eilte die Stufen mit weit geöffneten Armen herab. »Sehe ich euch endlich wieder! Seid mir willkommen!«
Und dann drückte er auch die kleine Prinzessin an sein Herz und freute sich, dass sie wieder da war und so gesund und gut erholt aussah.
»Aber nun«, sagte er, nachdem die Begrüßung vorüber war, »wollen wir nicht länger säumen, sondern unverzüglich den Drachen aufsuchen, sonst geht am Ende der große Augenblick des Erwachens ohne unsere Anwesenheit vorüber. Darum folgt mir bitte, ich werde vorausgehen.«
Während sie durch das Ebenholztor des Palastes schritten, flüsterte die kleine Prinzessin Jim und Lukas zu: »Ihr werdet euch wundern, wie das alte, halb verfallene Elefantenhaus, wo der Drache vor einem Jahr untergebracht wurde, jetzt aussieht. Mein Vater hat es nämlich inzwischen umbauen und herrlich ausschmücken lassen.«
Und so war es. Schon von Weitem, während sie sich durch den kaiserlichen Park dem Elefantenhaus näherten, sahen sie es durch die Bäume glänzen und gleißen. Und dann standen die beiden Freunde staunend vor dem prunkvollen Bau und vergaßen beinahe einzutreten. Der Kaiser hatte den Stall mit seiner großen Kuppel in eine vielstöckige Pagode mit Hunderten und Aberhunderten von kleinen spitzen Türmchen verwandeln lassen, die den großen Hauptturm umgaben. Alles war herrlich mit Figuren und Ornamenten und klingenden Glöckchen verziert.
Schließlich rissen sich die beiden Freunde von dem märchenhaften Anblick los und traten hinter dem Kaiser durch eine goldene Pforte ins Innere des Gebäudes. Tiefe Stille umfing sie. Einen Augenblick dauerte es, bis ihre Augen sich an das vielfarbige Dämmerlicht gewöhnt hatten, das aus unzähligen bunten Ampeln strahlte. Auch im Inneren des Gebäudes waren alle Wände bis zur Decke hinauf mit unvergleichlich prächtigem Zierrat bedeckt, der im Halbdunkel geheimnisvoll blinkte. Aus der hohen Kuppel, in deren Mitte eine runde Platte aus Bernstein als Fenster
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