Job Future - Future Jobs
zunehmender Zersplitterung, wachsenden Lärms, vermehrter Ablenkungen und steigender Entfernungen zu anderen wird es immer wichtiger, starke und innige Freundschaften aufzubauen, die mehr sind als ein Aufgebot an Unterstützern. Dafür ein geeignetes Umfeld zu schaffen, ist übrigens nicht unbedingt die Aufgabe der Arbeitsumgebung. Aber Arbeit muss ausreichend Raum und Zeit lassen, damit man solche Freundschaften aufbauen kann.
Dabei ist Zeit die wichtigste Ressource. Wenn Ihre Welt zeitlich völlig zersplittert ist und die Prioritäten anderer überhandnehmen, bringen Sie nicht mehr genug Tatkraft und Willen auf, um in tiefe Freundschaften zu investieren. Angesichts der räumlichen und zeitlichen Zerrissenheit, die unsere Zukunft prägen wird, ergeben sich Freundschaften nicht mehr von selbst. Sie wollen aufwendig geknüpft, gefördert und gepflegt werden. Ein Prozess, der in der Vergangenheit auf natürlichem Wege ablief, muss in Zukunft immer stärker aktiv gestaltet werden.
In der Vergangenheit war es angemessen, zwischen Arbeit – der Informationsorganisation und den Aufgaben – und Freizeit – Familie und Freunde – eine klare Trennlinie zu ziehen. Da diese Linie aber immer mehr verschwimmt, werden Freundschaften immer mehr Teil der Arbeitswelt. Wie ich bei meiner Forschung zu den Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit herausfand, können erfüllende Freundschaften und private Partnerschaften der Arbeit positive Impulse geben, wie auch umgekehrt ein vereinsamtes und chaotisches Privatleben die Arbeit negativ beeinflussen kann. Starke und tiefe Freundschaften steigern unser Wohlbefinden und spenden uns Kraft, Energie und Widerstandsfähigkeit, die uns bis in die Arbeit begleiten. Wie können in einer immer schneller tickenden und stärker zerrissenen Welt solche Beziehungen noch entstehen und gepflegt werden?
Um die Zukunft zu erkennen, muss man bisweilen in die Vergangenheit blicken, zum Beispiel ins Jahr 100 vor Christus, als der römische Staatsmann Cicero seine Gedanken zu einem erfüllenden Leben niederschrieb. In einer Reihe von Briefen erläuterte er, warum er Freundschaften für ein erfüllendes Leben als zentral ansah. 13 Was mir an diesen Briefen vor allem auffiel und was diese Rückblende um 2000 Jahre denn auch zukunftsweisend macht, ist die Tatsache, dass Cicero Freundschaften vornehmlich als eine langfristige Investition begreift. Diese begreift er dabei übrigens nicht einfach als Geben und Nehmen oder Leistung und Gegenleistung. Vielmehr vertritt er ein ehr kooperatives und gemeinschaftliches Konzept von Freundschaft.
In Ciceros Briefen entdecke ich viele Aspekte, auf denen auch die regenerativen Freundschaften der Zukunft beruhen werden: den Gedanken, dass Freundschaft nicht als selbstverständlich angenommen werden kann, dass über sie nachgedacht und dass in sie investiert werden muss. Und dass in ihrem Zentrum gemeinsame Interessen und Werte stehen. Auch wenn Freunde vom Typ ganz unterschiedlich sein können, brauchen sie eine Basis an gemeinsamen Interessen und Erfahrungen. Freundschaften wachsen auf der Grundlage von wechselseitigem Wohlwollen, Zuneigung und immer tiefer gehenden Gesprächen.
Wie Cicero es ausdrückt: »Es ist die befriedigendste Erfahrung in der Welt, wenn man mit jemandem über jedes Thema auf Erden so offen reden kann wie mit sich selbst.« 14 Freundschaften wirken regenerierend, weil sie nicht nur einem Zweck dienen, sondern in vielerlei Hinsicht bereichern und als »glanzvolle Strahlen der Hoffnung in die Zukunft« weisen. 15 Das Entgegenkommen von Freundschaft beruht auf Liebe abseits jedes Nützlichkeitskalküls. Cicero leitet das von ihm gebrauchte Wort »Freundschaft«, amicitia , aus dem lateinischen amor für »Liebe« ab. Diese tiefe Zuneigung baut auf gemeinsamen Interessen und zuvorkommenden und großmütigen Akten auf. Aber wie Cicero vor 2000 Jahren auch schon beobachtete, scheitern solche tiefen innigen und bereichernden Freundschaften oft an Habgier und Ehrgeiz.
Noch heute kann sich jeder Besucher in Rom anhand der antiken Ruinen ein Bild davon machen, wie Cicero und seine Kollegen in Kontakt kamen, gemeinsame Interessen pflegten und Freundschaft schlossen: Breite Gehwege durchzogen die Stadt, viele Tempel und Foren luden zum Verweilen und Plaudern ein, und wie alle wohlhabenden Staatsmänner verfügte wahrscheinlich auch er über einen Garten, in dem er Gäste empfing. Das antike Rom war wie heute nur noch wenige Städte so angelegt, dass es
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