Joe Kurtz 01 - Eiskalt erwischt
auf.«
Kurtz nickte und stieg aus dem Bett.
»Gott, hast du eine Menge Narben«, stellte Sophia Farino fest.
»Ein Hang zu Unfällen. Wo sind meine Klamotten?«
»Im Müllschlucker.« Sie zog eine der verspiegelten Schiebetüren auf, entnahm dem Schrank ein Männerhemd und eine originalverpackte Boxershorts. Aus der Schublade einer Kommode zauberte sie eine Cordhose hervor. »Nimm das hier. Die Sachen sollten passen. Ich besorg dir noch ein paar neue Schuhe und Socken.«
Kurtz warf ihr das Hemd zurück. »So was trage ich nicht.«
»Was trägst du nicht? Hemden? Jeanshemden?«
»Polo-Pferde.«
»Das soll wohl ein Witz sein? Das ist ein nagelneues 200-Dollar-Hemd.«
Kurtz zuckte die Achseln. »Ich habe eine Aversion gegen Markenlogos. Wenn die wollen, dass ich Reklame für sie laufe, sollen sie mich gefälligst dafür bezahlen.«
Sophia Farino lachte wieder und erneut genoss Kurtz den Klang ihres Lachens. »Ein Mann mit Prinzipien«, sagte sie. »Hat Eddie Falco massakriert, den guten alten Carl verstümmelt und wer weiß wie viele andere eiskalt erschossen, aber ein Mann mit Prinzipien. Ich liebe das.« Sie warf ihm ein nicht so teuer aussehendes Jeanshemd zu. »Keine Pferdchen, Alligatoren, Schafe oder andere Viecher drauf. Zufrieden?«
Kurtz zog es an. Es passte wie angegossen. Genau wie die Unterhose, die Cordhose, die Socken und Boots. Er ging nicht davon aus, dass Sophie in weiser Voraussicht für ihn shoppen gegangen war, also fragte er sich, wie viele Männergrößen sie so auf Lager hatte. Oder suchte sie sich die Kerle gezielt nach Statur aus? Vielleicht war es beim Kondom in der Dusche so ähnlich. Sei auf alles vorbereitet, war offenbar das erklärte Motto dieser Frau. Er steuerte auf die Wohnungstür zu.
»Hey«, sagte sie, streifte sich schließlich doch noch den Bademantel über und lief ihm nach. »Es ist kalt da draußen.«
»Hast du meine Jacke etwa auch weggeworfen?«
»Was dachtest du denn?« Sie öffnete eine Schranktür im Eingangsbereich und reichte ihm eine teure, gefütterte Bomberjacke aus Leder. »Die sollte zu dir passen.«
Das tat sie. Er entriegelte die Tür.
»Kurtz«, sagte sie, »du bist immer noch nackt.« Sie nahm eine Neun-Millimeter von Sig Sauer aus dem Schrank und hielt sie ihm hin.
Kurtz kontrollierte sie – sie war komplett durchgeladen –, dann gab er sie ihr wieder. »Ich weiß nicht, wo die herkommt«, sagte er.
Sophia lächelte. »Sie lässt sich nicht zurückverfolgen. Vertraust du mir etwa nicht?«
Kurtz rang sich ein Lächeln ab und ließ die Pistole in ihren Händen zurück. Er ging zur Tür hinaus, einen Privatkorridor entlang, nahm den Fahrstuhl ins Erdgeschoss und trat in die dunkle Nacht hinaus; vorbei an einem schläfrigen, aber neugierigen Wachtposten im Eingangsbereich. Als er einen Block weit nach Westen gelaufen war, drehte er sich zum Gebäude um. Das Licht in ihrer Wohnung brannte noch, ging aber im selben Moment aus, als er hinsah.
KAPITEL 17
Kurtz’ aktueller Unterschlupf war ein altes Kühlhaus, das saniert und zu Wohnungen umgebaut werden sollte, aber im Vergleich zu dem Viertel, in dem Sophia Farino ihren Zweitwohnsitz bezogen hatte, lag noch ein weiter Weg vor den Bauherren. Noch ließ die Morgensonne auf sich warten, aber es drang schon ein etwas helleres Grau durch die tief hängenden Wolken, aus denen es sachte auf ihn herunternieselte.
Er fühlte sich ohne Waffe nackt und ein wenig benommen. Letzteres führte er darauf zurück, dass er bis auf das Glas Chivas in den letzten 24 Stunden weder etwas gegessen noch getrunken hatte; weniger auf den Sex, denn der war großartig gewesen. Kurtz gestand sich ein, dass er sich gut vorstellen konnte, in einem dieser weichen flauschigen Bademäntel herumzusitzen und zusammen mit Miss Farino ein großes Frühstück mit Speck und Eiern und dampfendem schwarzen Kaffee zu genießen, bevor er wieder in den Sturm hinausgeschickt wurde. Du wirst weich, Joe, tadelte er sich. Wenigstens hielt die teure Bomberjacke den eisigen Nieselregen ab.
Kurtz stapfte gerade durch die Unterführung der I-90, als er sich plötzlich an etwas erinnerte. Er verließ den Fußweg, kletterte den steilen Betonsockel hoch und spähte in die flachen, dunklen Nischen, in denen Betonpfeiler auf Stahlträger stießen. Die ersten beiden Boxen waren bis auf Taubenscheiße und menschliche Exkremente verwaist, aber in der dritten befand sich eine kleine ausgemergelte Gestalt, die sich in die hinterste Ecke des vollgestopften
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