JörgIsring-UnterMörd
bist du mein Freund. Ich vertraue dir.«
Spencers Miene verdüsterte sich. »Worum geht's?«
»Glaub' mir, es ist besser, wenn du es nicht weißt. Es hat mit unserer
Sache nichts zu tun, es ist sozusagen ein Nebenkriegsschauplatz. Aber trotzdem
wichtig. Mir ist es sehr wichtig.«
»Wenn es dir wichtig ist, dann ist es auch mir
wichtig.«
»Sobald ich die Nachricht übergeben habe, vergessen wir die ganze Sache.«
Spencer grinste. »Welche Sache?«
Dahlerus fiel ein Stein vom Herzen. Auf Spencer war Verlass. Er nannte ihm
die Adresse. Der Umweg war nicht so groß, als dass ihre Abwesenheit im Foreign
Office irgendjemanden beunruhigen sollte. Spencer hielt vor einem
eindrucksvollen Haus in der Garden Lane an. Es war die angegebene Adresse.
Dahlerus bat seinen Freund, im Auto zu warten. Der Schwede ging durch den
Vorgarten und klopfte. Eine Frau um die dreißig öffnete nach kurzer Wartezeit
die Tür. Sie musterte Dahlerus skeptisch.
»Ja, bitte.«
»Christa Riedel?«
Die Frau taxierte ihn unfreundlich. Ihre dunklen Haare hatte sie
hochgebunden, was ihr Gesicht streng erscheinen ließ. Die Tür hielt sie so, dass
sie sie jederzeit zuschlagen konnte. »Was wollen Sie?«
Dahlerus hörte an ihrem deutschen Akzent, dass er die richtige Frau
gefunden hatte.
»Ich habe eine Nachricht für Sie. Von Richard Krauss.« Die Frau blinzelte.
Sie versuchte, ihre Überraschung zu verbergen, aber es gelang ihr nur
schlecht. »Wer sind Sie?«
»Mein Name tut nichts zur Sache. Krauss ist in Berlin an mich
herangetreten. Er kann das Land nicht verlassen und hat Angst, Frau Riedel auf
anderem Wege eine Nachricht zukommen zu lassen. Deshalb hat er mich gefragt.
Ich bin derzeit in einer besseren Lage als er.«
Die Frau sah
immer noch nicht überzeugt aus. Dahlerus' ehrliches Gesicht und seine seriöse
Erscheinung ermutigten sie jedoch, die Tür etwas weiter zu öffnen.
»Sie haben die Richtige gefunden. Ich bin Christa Riedel.«
Dahlerus nickte. Er griff in seine Sakkotasche, zog den Brief heraus und
gab ihn ihr. Sie hielt ihn unschlüssig in der Hand, riss ihn aber nicht auf.
»Wie geht es ihm?«
»Er war leicht ramponiert, aber es ging ihm gut. Zumindest, als ich ihn das
letzte Mal gesehen habe.« »Was hat er Ihnen erzählt?« Dahlerus sah zu Boden.
»Alles.«
Christa sah ihn schweigend an. »Dann vertraut er Ihnen sehr.«
»Er kennt mich nicht.«
»Oder er ist sehr verzweifelt.«
»Das vermute ich eher.«
»Wissen Sie, was in dem Brief steht?«
»Nicht im Detail. Es ist eine Warnung. Sie müssen von hier verschwinden.
London ist zu gefährlich.«
Die Frau atmete schwerer. Offensichtlich hatte sie mit der Nachricht zu
kämpfen. Sie sah auf den Brief und wieder zu Dahlerus. »Was soll ich tun?«
»Ich weiß es nicht. Lesen Sie den Brief. Ich kann Ihnen leider nicht
helfen. Versuchen Sie bitte, mich zu verstehen. Ich bin nur der Bote. Ich muss
mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern.«
Christa nickte.
»Ich verstehe.«
Dahlerus sah sie
aufmunternd an. »Viel Glück.«
Er drehte sich um und ging, ohne sich umzudrehen,
durch den Vorgarten zum Auto. Spencer öffnete ihm von innen die Tür. Dahlerus
sank in den Beifahrersitz.
»Schnell weg von hier. Ich habe das Gefühl, gerade einen großen Fehler
begangen zu haben.«
Etwa zweihundert Meter von ihnen entfernt, perfekt versteckt im breiten
Schatten einer Kastanie, saß ein Mann auf einem Motorrad. Sein Name war
Wilhelm Laumen. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und grinste. In
erster Linie über sich selbst, denn er hatte es einmal mehr geschafft, ein
Objekt unbemerkt zu observieren. Solche Aufträge waren seit Jahren seine
Spezialität, und die stümperhaften Versuche, ihn mit einem kleinen Auto-Karussell
abzuhängen, waren eher ein Vergnügen als eine Herausforderung. Er grinste aber
noch aus einem anderen Grund. Er war sich sicher, einen Volltreffer gelandet zu
haben. Laumen hatte endlich gefunden, wonach alle so verzweifelt suchten.
Bensler würde vor Freude im Sechseck springen.
Chamberlain begrüßte Dahlerus mit ernster Miene. Auch die anderen Männer
im Raum - Sir Horace Wilson, Lord Halifax und Alexander Cadogan - hatten ihre
trübsten Gesichter aufgesetzt. Alle trugen sie schwarze Anzüge, so dass sich
der Schwede für einen Moment bei einer Beerdigung wähnte. Zu Grabe getragen
wurde ein lange dahinsiechender Patient: Europa.
Nach ein paar
Floskeln kam der britische Premier gleich zur Sache. »Wir sind mit unserer
Geduld am Ende.
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