John Corey 03 - Nachtflug
»Wohnen Sie in New York?« »So ist es. In Manhattan.«
»Dort möchte ich auch wohnen, wenn ich mit dem Studium fertig bin.“
»Guter Vorsatz.« Ich winkte einer Bedienung und bestellte Kaffee.
Roxanne und ich plauschten noch ein bisschen miteinander, was ich immer kann, während ich in Gedanken woanders bin. Ich war schließlich nicht eigens vom Jemen nach Philadelphia gereist, nur um mit einer Studentin zu flirten. Oder doch?
34
Der Freund verspätete sich, Roxanne war allmählich angeheitert, und die eine Hälfte meines Hirns war noch immer auf dreitausend Fuß, während die andere Hälfte in Rum getränkt war.
Ich wollte aufbrechen, aber irgendetwas hielt mich fest. Müdigkeit vermutlich, vielleicht auch Roxanne oder irgendein unterschwelliges Gefühl, dass sich noch irgendetwas ergeben würde, wenn ich nur lange genug sitzen blieb beziehungsweise die richtige Frage stellte oder genauer zuhörte.
Man brachte mir einen großen Pott Kaffee, und ich schüttete ihn rein und bestellte mir noch einen. Ich plauderte mit Roxanne, während ich darüber nachdachte, was mir entgangen sein könnte.
»War der Fernseher eingeschaltet, als Sie das Zimmer betreten haben?« fragte ich sie. »Manche Leute lassen ihn zum Beispiel an, wenn sie wollen, dass es so aussieht, als wären sie im Zimmer.«
Sie drückte ihre Zigarette aus und fragte: »Sind wir wieder bei dem Zimmer?«
»Nur einen Moment lang.«
»Nein, er war nicht angeschaltet.« Und sie fügte hinzu. »Genaugenommen habe ich ihn angeschaltet.«
»Warum?«
»Na ja, wir sollten bei der Arbeit nicht fernsehen, aber ich wollte mir die Nachrichten über TWA 800 anschauen.«
»Ich werde es nicht verraten. Und, was kam in den Nachrichten?“
»Das weiß ich nicht mehr genau.« Sie schüttelte den Kopf und sagte: »Es war wirklich furchtbar.«
»Das war es.« Ich sagte zu Roxanne: »Vielleicht können Sie mir mit etwas weiterhelfen. Dieses Paar ist gegen halb fünf abgestiegen. Okay? Der Typ war allein an der Rezeption. Das nächste Mal wurden sie gegen sieben gesehen, als Lucita, das Zimmermädchen, sie mit der Bettdecke zum Auto gehen sah. In den zweieinhalb Stunden, die dazwischen liegen, hat sie anscheinend niemand gesehen. Daher frage ich mich, was sie in dieser Zeit gemacht haben. Ich meine, was machen die Leute da draußen am späten Nachmittag?«
»Das fragen Sie mich? Ich weiß es nicht. Ich nehme an, sie gehen einkaufen, trinken irgendwas. Fahren rum.« Und sie fügte hinzu: »Vielleicht sind sie auch in ihrem Zimmer geblieben. Deswegen hat sie keiner gesehen.«
»Richtig ... aber das ist eine ziemlich lange Zeit, um an einem schönen Tag in einem Hotelzimmer rumzusitzen.«
Sie lächelte mich an und sagte: »Vielleicht haben sie sich der Lust und Liebe hingegeben. Dazu waren sie schließlich dort. Sie haben miteinander geschlafen, sind eingenickt, haben ferngesehen oder eine Kassette eingelegt.«
»Richtig.« Der Haken daran war, dass ich mir wünschte, sie wären zur Hotelbar gegangen und hätten ihre Getränke mit einer Kreditkarte bezahlt oder eine Rechnung aus einem dortigen Laden im Papierkorb hinterlassen. Aber das hatten sie nicht getan.
Ich lehnte mich zurück und gähnte. Allem Anschein nach kam ich nicht weiter, was diese fehlenden zweieinhalb Stunden anging, aber vielleicht war das auch nicht so wichtig. Für diese Zeitspanne gab es allerhand Erklärungen - ein Nickerchen, Nachmittagsfernsehen, eine flotte Nummer vor dem Strandbesuch, nichts, mit dem sie irgendwelche Spuren oder belastende Unterlagen hinterließen ... »Was meinen Sie mit eine Kassette eingelegt ?« fragte ich sie.
»Eine Videokassette.«
»In dem Zimmer war kein Videorecorder.«
»Früher schon.«
Ich nickte. Damals war es üblich, dass in Hotelzimmern ein Videorecorder stand, aber mittlerweile gab es Satelliten- und Kabelfernsehen, auf Wunsch auch Pornos und dergleichen mehr, und viele Hotels hatten ihre Videorecorder ausrangiert. In Zimmer 203 gab es zum Beispiel keinen Videorecorder mehr, aber einstmals war dort offenbar einer gewesen. »Können Sie sich noch erinnern, ob der Videorecorder eingeschaltet war?« fragte ich Roxanne.
»Ich glaube schon. Ja ... ich habe ihn ausgeschaltet.« »Haben Sie nachgesehen, ob ein Video im Recorder war?« fragte ich sie.
»Ja. Ich habe auf die Auswurftaste gedrückt, aber nichts kam raus.« Und sie fügte hinzu: »Das haben wir grundsätzlich gemacht. Videofilme, die die Gäste mitgebracht und vergessen haben, mussten an
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