John Medina - 02 - Gefaehrliche Begegnung
Sie hatte ihn nicht danach greifen sehen, doch plötzlich war eine Pistole in seiner Hand. »Du siehst aus, als würdest du überhaupt keine Schimpfwörter kennen.« Noch während er sprach, ging er im Haus umher, mal hierhin, mal dorthin blickend.
Sie verdrehte die Augen und folgte ihm nach drinnen. »Dann werde ich eben versuchen, mich an Worte wie ›verflixt‹ und ›Potzblitz‹ zu halten, damit du keinen Schock kriegst. Und glaub ja nicht, du könntest das Thema wechseln. Mr. Vinay hat mich nicht bloß ›im Auge behalten‹, er hat mich beobachten lassen, stimmt’s? Und wieso, möchte ich mal wissen.«
»Es ist keine ständige Beobachtung. Zuerst schon, um deine Gewohnheiten herauszufinden. Danach geschah es nur in regelmäßigen Abständen, um sicher zu gehen, dass mit dir alles in Ordnung ist und dass sich nichts geändert hat.«
»Dann sag mir doch bitte, wieso du Zeit und Geld der CIA dafür rausgeschmissen hast.« Sie musste die Stimme heben, denn er war gerade im Rückteil des Hauses und streckte die Nase in die Schlafzimmer.
»Habe ich gar nicht. Frank hat eine Privatagentur angeheuert.«
Bis jetzt war sie nur erstaunt und irritiert gewesen, doch nun war sie vollkommen verblüfft. Sie ließ die Haustür mit einem Knall zufallen. »Du hast eine Privatagentur dafür bezahlt, mich zu beobachten? Aber um Gottes willen, Tucker, wenn du unbedingt wissen wolltest, wie’s mir geht, hättest du schlicht zum Telefonhörer greifen können!«
Er kam durch die dunkle Diele zurück. Weil er Schwarz trug, war er nur schwer zu erkennen; lediglich sein Gesicht und seine nackten Arme leuchteten im Dunkeln. Teilweise lag es auch an seinem Gang, dachte sie zerstreut. Seine Bewegungen waren vollkommen flüssig, vollkommen geräuschlos; man konnte sich nur auf seine Augen verlassen, denn er sprach nicht.
»John«, sagte er dann.
»Was?«
»Du hast mich Tucker genannt. Mein Name ist John.«
Er stand so dicht vor ihr, dass sie seine animalische Hitze spürte, die vom Dauerlauf kam. Sie roch seinen Schweiß, seinen männlichen Geruch. Da wich sie einen Schritt zurück und legte den Kopf in den Nacken, um ihn ansehen zu können. »Ich habe mich noch nicht dran gewöhnt. Fünf Jahre lang warst du für mich nur Tucker, ob ich dich je wieder sah oder nicht. Medina bist du erst seit zwölf Stunden.«
»Nicht Medina. John. Nenn mich bei meinem Vornamen.«
Diese Sache mit den Namen schien ihm sehr wichtig zu sein, denn er stand vollkommen reglos, den Blick unverwandt auf ihr Gesicht geheftet. »Also gut, dann eben ›John‹. Aber wahrscheinlich mache ich bald wieder einen Schnitzer, besonders wenn du mir auf die Eier gehst – was, wenn es wie bisher läuft, stündlich der Fall sein wird.«
Er grinste, und sie fragte sich, ob es daran lag, weil sie verraten hatte, wie sehr er sie irritierte, oder weil sie ›auf die Eier‹ gesagt hatte. Wofür hielt sie der Kerl überhaupt? Für eine Nonne? Sie würde noch ganz verlegen werden, wenn er beim kleinsten Schimpfwort ihrerseits gleich zu grinsen anfing.
Sie piekste ihm mit dem Zeigefinger in die Brust. Das war, als würde man eine Stahlplatte pieksen: Man konnte sich dabei nur den Nagel brechen. »Da du in Frankreich ja auch wieder einen anderen Namen benutzen wirst, sollte ich mich dann nicht eher an den gewöhnen? Da darf ich mir keine Schnitzer erlauben.«
»Ich werde schon aufpassen, dass ich dir nicht zu sehr auf die Eier gehe.«
»Dann sagst du ihn mir also nicht?«, fragte sie ungläubig.
»Noch nicht.«
Da drängte sie sich rüde an ihm vorbei. »Ich gehe jetzt duschen. Mach beim Rausgehen die Tür hinter dir zu.«
Kochend stand sie unter der Dusche. Es bestand kein Anlass für ihn, ihr seinen Decknamen noch nicht zu verraten. Er war ganz einfach ein fanatischer Geheimniskrämer. Wahrscheinlich war ihm das alles schon so in Fleisch und Blut übergegangen, dass er’s gar nicht mehr merkte – nein, das stimmte nicht. Er tat nichts unbewusst, das war ihr schon bei ihrer ersten Begegnung im Iran aufgefallen.
Und daraus folgte, dass er ihr seinen richtigen Namen absichtlich verraten hatte und er ihm nicht einfach so herausgerutscht war, wie er behauptete. Medina rutschte nichts heraus. Er hätte nicht so lange überlebt, wenn das der Fall wäre. Die Frage war, warum? Er hätte einfach weiter Tucker für sie sein können. Mit einem geistigen Schulterzucken schob sie diese Frage beiseite. Wer wusste schon, warum Medina tat, was er tat?
Sie ließ sich Zeit im
Weitere Kostenlose Bücher