John Medina - 02 - Gefaehrliche Begegnung
mir gelingt, eine Einladung in Ronsards Villa zu bekommen? Was ist, wenn du nicht zur selben Zeit eingeladen wirst?«
»Ich habe bereits eine Einladung. Ronsard gibt in zehn Tagen eine große Party. Das macht er jedes Jahr, als kleines Dankeschön sozusagen, für all jene, die in für ihn heiklen Situationen freundlicherweise in die andere Richtung schauen. Die Bewachung wird wegen all der Gäste noch strenger sein. Unter solchen Umständen muss ihm das Treffen mit mir weniger riskant erscheinen. Wenn Ronsard dich zur Party einlädt, dann nimm an. Wenn er dich lediglich auf einen Besuch in seine Villa einlädt, lehnst du ab. Das wird sein Interesse nur noch steigern.«
»Erwarte ja nicht zu viel von mir. Ich habe keine Ahnung, wie man Männer umgarnt«, murmelte sie.
Er grinste. »Darum mach dir mal keine Sorgen, dafür hat schon Mutter Natur gesorgt. Wir Männer sind überhaupt nicht anspruchsvoll. Die Frau muss nur leben und atmen, mehr braucht es nicht, um das Interesse eines Mannes zu wecken.«
Sie versuchte, über diese Äußerung empört zu sein, musste aber lachen. »So einfach, hm?«
»Im Vergleich zu Frauen sind wir Männer die reinsten Amöben. Wir haben nur eine Gehirnzelle, aber die ist ausgesprochen zielstrebig.«
Das sagte ausgerechnet der komplizierteste Mann, dem sie je begegnet war. Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube, wir sollten uns lieber an die Arbeit machen, bevor deine eine Gehirnzelle noch völlig ausflippt. Was steht heute auf dem Programm?«
»Nichts«, antwortete er. »Ausruhen und packen. Dein Französisch vielleicht ein wenig aufpolieren. Ich bin nur vorbeigekommen, um dir deine Papiere zu bringen.«
Sie hatte sich so an das harte Training mit ihm gewöhnt, dass ihr bei der Aussicht auf einen »freien Tag« richtig etwas fehlte. »Du meinst, das wär’s also? Wenn ich diese Einladung nicht kriege, sehe ich dich nie wieder?«
Er zögerte kurz, dann streckte er die Hand aus und strich ihr sanft mit den Fingerspitzen über die Wange. Er wollte etwas sagen, überlegte es sich jedoch anders. Etwas wie Bedauern, nur komplexer, blitzte kurz in seinen blauen Augen auf. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und verschwand so leise durch die Hintertür, dass sie es nur merkte, weil sie ihm dabei zusah.
Sie stand reglos in der Küche und kämpfte gegen die Kälte an, die sie bei seiner Berührung überlaufen hatte. Nein, das war es nicht, ihr war nicht kalt. Sie zitterte, aber nicht vor Kälte. Diese kleine Berührung hatte genügt, ihre Nervenenden zu elektrisieren. Du meine Güte. Wie wäre es dann erst, wenn … »Nein«, befahl sie sich laut. »Denk gar nicht dran.« Denk nicht dran, wie es wäre, mit ihm zu schlafen. Männern wie John Medina ging es nur um Sex, nicht um Liebe; sie hatten keine Beziehungen, nur Bekanntschaften.
Obwohl man es aus der Art und Weise, wie sie die letzten fünf Jahre gelebt hatte, kaum vermuten würde, hatte sie schon des Öfteren, auf eine vage Weise, daran gedacht, dass sie irgendwann wieder heiraten und Kinder haben wollte. Aber das lag immer in einer fernen, nebelhaften Zukunft, und obwohl es keinen Kandidaten für diesen Posten des Ehemanns gab, war sie doch der Meinung, dass ihr Leben irgendwann einmal diese Richtung einschlagen würde. Wenn sie jedoch etwas mit John anfing, könnte sie diesen Traum endgültig begraben. Nach einer Affäre mit ihm könnte sie sich mit keinem gewöhnlichen Joe oder Charly mehr zufrieden geben.
Er mochte dem Großteil der Welt ja weismachen können, er sei nur ein harmloses Schaf, doch sie wusste es besser, wusste, dass er in Wirklichkeit ein Wolf war. Und sie kannte sich selbst, wusste, wie sehr es sie nach Aufregung, nach Abenteuern gelüstete. Sie würde nie wieder die Alte sein, denn mit John zu schlafen ginge einfach einen Schritt zu weit. Das wäre der ultimative Kick, nichts kam ihm gleich, würde ihm je gleichkommen. Aber wenn sie sich diese Erfahrung verwehrte, würde sie nie wissen, was ihr entgangen war. Sie könnte es zwar vermuten, aber sie würde es nicht wissen und könnte nach wie vor ihr Glück mit einem ganz normalen Joe finden. Irgendwann.
Welchen Unterschied machte es schon?, dachte sie und drückte eine Faust auf ihren Magen, damit das Flattern darin aufhörte. Er war fort. Wenn der Plan nicht funktionierte, würde er vermutlich für sie verschwunden sein. Er hatte zwar gesagt, er würde sich wieder melden, aber das wollte sie nicht so recht glauben. Sie konnte es nicht glauben, denn wenn
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