John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
Pick-up. Auch weiß.«
Klick. Ein Amateur, dachte Wells. Oder ein Profi, der eigenartige Spielchen spielte.
Tarik wartete, bis sich das Zittern seiner Hände legte, ehe er das Telefon in die Tasche zurücksteckte. Jalal war gekommen, wie Khadri versprochen hatte. Jetzt musste nur noch er sein Versprechen erfüllen und das Paket abliefern.
Er hatte sich um seine Frau gekümmert, indem er sie, in dicke Plastiksäcke verpackt, im Keller des grauen Hauses zurückgelassen hatte. Natürlich war das nur eine vorübergehende Lösung, aber Tarik dachte in diesen Tagen ausschließlich kurzfristig. Heute Morgen hatte die Polizei wieder an seine Tür geklopft. Er hatte nicht geantwortet, aber sie wussten, dass er zu Hause war. Jetzt würden sie bald mit einem Durchsuchungsbefehl zurückkommen.
Dann würde Jalal jedoch schon das Paket übernommen haben. Der Plan sollte funktionieren, dachte Tarik. Technisch betrachtet war die Liefermethode einfach. Die Krankheitserreger waren bereit. Ja, der Plan würde funktionieren – solange er die Nerven behielt.
Dann hat sich meine Lüge an der Grenze über Quebec City als Ziel meiner Reise doch noch bewahrheitet, dachte Wells. Als er anhielt, um zu tanken, warf er einen Blick in die Karte. Seufzend stellte er fest, dass sein neues Ziel weitere zweihundertvierzig Kilometer entfernt lag. Ein paar zusätzliche Stunden Autofahrt machten jetzt auch nichts mehr aus. »Los geht’s«, sagte er, als er den Ranger startete.
Die Parkgarage in Quebec City war groß und nahezu leer. Wells fuhr langsam durch die Gänge und bog zweimal ab. Soweit er feststellen konnte, wurde er nicht verfolgt. Aber er kannte die Grenzen der Konterspionage. Schließlich parkte er, legte den Kopf in den Nacken und schlief augenblicklich ein. Es war wohl das Beste, seine Kräfte zu sparen.
Als der junge Mann hinter dem Steuer des weißen Ford Windstar auf die Hupe drückte, schreckte Wells mit einem Ruck hoch. Sofort glitt er aus dem Pick-up und ging auf den Van zu, dessen Beifahrertür der junge Mann für ihn aufstieß.
Der Fahrer war klein und dünn, hatte tiefe Ringe unter den dunkelbraunen Augen, und seine Wange zuckte. Während sie einander die Hand gaben, leckte er sich nervös die Lippen. »Sie mögen also Jazz«, sagte er schließlich.
»Ich höre diese Musik jeden Nachmittag«, vollendete Wells den Code. Dadurch schien sich der Fahrer ein wenig zu entspannen. Während er einen Gang einlegte und langsam davonrollte, verstaute Wells seine Tasche hinter dem Beifahrersitz.
»Ich bin Tarik.«
»John. Oder Jalal. Wie du willst.«
»Salam aleikum, Jalal.«
»Aleikum salam.«
Tarik steuerte den Minivan aus der Garage und fuhr auf
den Highway 40 auf, der Quebec City mit Montreal verband. Als vorsichtiger Fahrer sah er ständig in den Rückspiegel und setzte den Blinker, lange bevor er die Spur wechselte.
»Wir fahren nach Montreal zurück?«, fragte Wells. »Bist du sicher, dass du nicht für Exxon arbeitest, bei all dem Benzin, das du verfährst?«
Die Muskeln an Tariks hageren Unterarmen zuckten. Wenn er nicht tatsächlich Angst hatte, war er ein ausgezeichneter Schauspieler. »Ich verstehe nicht, was du meinst.«
»Das war nur ein Scherz … vergiss es.«
Tarik sah zu Wells hinüber. »Könntest du dich bitte anschnallen? « Kommentarlos schloss Wells den Gurt. »Darf ich die Klimaanlage einschalten?«, fragte Tarik. »Ich mag es gern kühl.«
»Du bist der Fahrer, Tarik. Du kannst tun, was immer du willst.«
Nachdem Tarik die Klimaanlage eingeschaltet hatte, fuhren sie einige Minuten schweigend dahin.
»Es tut mir leid, dass ich dich warten ließ«, meinte Wells beiläufig.
»Warten? Nein, nein«, wehrte Tarik stotternd ab. »Ich bin eben erst gekommen.«
Warum hatten sie einander dann in Quebec City getroffen statt in Montreal?, fragte sich Wells. Tarik wandte keine Gegenspionagetaktiken an, um mögliche Verfolger abzuschütteln. Stattdessen fuhr er so vorsichtig, dass ihm jeder folgen hätte können. »Woher kommst du, Tarik?«
»Ich bin außerhalb von Paris aufgewachsen.« Das erklärte zumindest den Akzent.
»Und jetzt lebst du hier?«
»Ja. In Montreal.« Dieses Frage-und-Antwortspiel glich eher einem Verhör als einem Gespräch. Außerdem war Tarik
zu nervös, um selbst Fragen zu stellen. Wells hätte auch auf Arabisch wechseln können, aber er blieb lieber bei Englisch, um den Jungen zu verunsichern.
»Arbeitest du hier?«
»Ich mache ein Aufbaustudium.«
»In?«
»Neuro…
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