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John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

Titel: John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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berührt hatte. Schließlich schaltete er den Motor ab und stapfte in sein Zimmer. Nun hatte er schon so lang auf eine Frau gewartet, da konnte er vermutlich auch noch etwas länger warten. Aber nicht ewig.
     
    Um Punkt sechs Uhr riss ihn der Telefonwecker aus seinem traumlosen Schlaf. Nachdem er geduscht und sich angekleidet hatte, betete er, indem er den Kopf auf den Boden hinunterbeugte und dazu den ersten Vers aus dem Koran aufsagte. »Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen …« Während draußen die Sonne hochstieg und die Sterne verblassten, wechselte die Farbe des Himmels von schwarz zu blau.
    Auf seiner Fahrt nach Norden zum Lost Trail Pass, der Grenze zwischen Idaho und Montana, hatte Wells den Highway für sich allein. Seit Lewis und Clark auf ihrem Weg zum Pazifik diesen Weg genommen hatten, hatten sich die Berge kaum verändert. Sobald Wells den Pass erreichte, stieg er aus dem Dodge und sah auf die Hügel von Montana hinunter, die ihm weicher und rundlicher erschienen, als jene, die hinter ihm lagen. Nicht der geringste Lufthauch regte sich.
    Eine Stunde später erreichte er Hamilton. Die Stadt war größer, als er sie in Erinnerung hatte. Entlang der Bundesstraße 93 gab es mehrere neue Supermärkte und Fast-Food-Restaurants, wie Taco Bell und Pizza Hut. Sobald er nach links in die Ravalli Street einbog, war er da. 420 South Fourth, das große graue Haus an der Ecke von Ravalli und Fourth.

    Nur dass das Haus nicht mehr grau war, sondern blau. Und dass auf dem Rasen vor dem Haus ein Dreirad stand.
    »Ma?«, rief er, während er auf die Tür zuging. Keine Antwort. Schließlich drückte er auf die Glocke.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, ertönte eine Männerstimme.
    »Ich bin es, John.«
    »Welcher John?«
    Wells wünschte sich, irgendwo anders zu sein. Egal wo. Es hätte ihm auch nichts ausgemacht, wenn sich die Erde geöffnet und ihn als Ganzes verschlungen hätte.
    »John Wells. Ich suche meine Mutter.«
    Als sich die Tür einen Spalt breit öffnete, erkannte er Ken Fredrick, der in der Highschool zwei Jahrgänge über ihm gewesen war. Penny Kenny, wie ihn die gehässigeren Kinder genannt hatten, weil seine Familie nie Geld gehabt hatte. Als Jungen waren sie so etwas wie Freunde gewesen. Während der ersten beiden Jahre, die Wells im Football-Team gespielt hatte, war Kenny Manager des Teams gewesen und hatte vor allem während der langen Busfahrten zu den Spielen viel unter seinen Mannschaftskollegen zu leiden gehabt. Der schlimmste Vorfall ereignete sich an einem Freitagabend kurz vor Ende von Wells’ erster Saison. Drei Stürmer hatten den Notausgang geöffnet und Kenny so aus dem Bus gehalten, dass sein Kopf nur wenige Zentimeter über dem Asphalt der Interstate 90 schwebte, während der Bus dahinsauste. Wells erinnerte sich noch an Kennys Schreie. Damals hatte er vermutlich zum ersten Mal echte Panik gehört. Danach hatte Wells Kenny eingeladen, neben ihm zu sitzen. Obwohl Wells erst in die neunte Klasse ging, war er schon Middle Linebacker und Running Back. Dadurch ließen die anderen Jungen Kenny von da an meist in Ruhe.
    »John Wells, der Knochenbrecher?« Diesen Spitznamen
hatte Wells seit Langem nicht mehr gehört. Man hatte ihm diesen Namen wegen seiner harten Angriffe verliehen, bei denen dem Gegner der Mund offen stehen blieb, der Helm vom Kopf flog und er schließlich flach auf der Erde landete. Running Backs und Wide Receivers hassten es, ihm über die Mitte entgegenzukommen. Auch wenn Wells nicht durch seine Körpergröße auffiel, war er besonders schnell und kannte ein Geheimnis, das kein Trainer je lehrte: Niemals langsamer werden. Die meisten Verteidiger schalteten einen Gang zurück – nur eine Kleinigkeit – bevor sie zum Angriff übergingen. Einfach weil sie nervös waren, was nur natürlich war. Wells wurde nie langsamer.
    »Mann, tut das gut, dich nach so langer Zeit wiederzusehen«, sagte Kenny, während er die Tür öffnete und Wells die Hand entgegenstreckte.
    »Was tust du hier?«, fragte Wells, der sich selbst in diesem Augenblick die Wahrheit nicht eingestehen wollte.
    »Ich wohne hier, John«, antwortete Kenny. »Meine Frau und ich haben das Haus vor Jahren von deiner Mutter gekauft. Ich bin stellvertretender Leiter der Ravalli County Bank. Die Leute nennen mich jetzt Ken.« Der Stolz in seiner Stimme war unüberhörbar.
    »Wo ist meine Mutter?«
    Kenny schluckte schwer. »Weißt du es denn nicht? Sie ist gestorben, John. An Brustkrebs.«
    Ungläubig

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