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John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

Titel: John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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bloß vor einem Jahr gekommen wärest, oder vor zwei Jahren – ach, egal.« Song stützte sich mit einer Hand am Boden ab und erhob sich langsam, wobei er seine dürren Gliedmaßen entfaltete. Jordan musste lächeln, während er ihn beobachtete. Song bewegte sich wie eine Marionette, deren Schnüre sich verwirrt hatten.
    »Mögen Sie Basketball?«, erkundigte sich Jordan. Plötzlich wollte er, dass Song blieb und mit ihm plauderte. Der dürre Mann war die erste Person seit Monaten, die in irgendeiner Weise freundlich zu ihm war.
    »Sicher. Warum?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Wenn du willst, können wir morgen gemeinsam nach Arbeit suchen«, sagte Song. »Vielleicht finden wir auch keine, aber Yu und ich können dir dann zumindest die Stadt zeigen. Du siehst ja, wie viel Erfolg wir hier schon hatten.« Er versetzte Yu, der mit geschlossenen Augen auf der Seite lag, einen Tritt, doch ohne die geringste Wirkung. »Willst du nicht deine Decke haben, fettes Schwein?« Aber Yu rollte sich einfach auf die andere Seite.
    »Gute Nacht, Jiang.«
    »Gute Nacht, Master Song.«
    Wieder lachte Song, und diesmal so heftig, dass er sich gegen den Betonpfeiler lehnen musste, um auf den Beinen zu bleiben. »Master … Master …«
    Jordan schloss die Augen und lauschte Songs abgehacktem
Husten. Das Leben musste besser werden, dachte er. Denn schlechter konnte es kaum noch werden. Er trank aus seiner Flasche Red Star, bis ihn der Schlaf übermannte. Nie im Leben hätte er sich in diesem Augenblick vorstellen können, dass er schon bald eine Krise heraufbeschwören würde, deren Auswirkungen rund um den Erdball widerhallen würden.

17
    Die Taschenlampe erlosch flackernd, und in der Dunkelheit prallten die Kugeln rund um Wells wie ein verrückt gewordener Presslufthammer von den Wänden ab. Während ein Regen aus Steinsplittern auf ihn niederprasselte, presste Wells den Kopf fest auf den Boden, sodass er mit den Lippen über Stein und Erde rieb.
    Als die Frequenz der Schüsse nachließ, hob Wells den Kopf. »Aufhören!«, brüllte er in perfektem Arabisch. »Aufhören! Ich bin es, Mohammed! Nicht schießen!«
    Stille. Dann eine weitere Salve. Die Dunkelheit und der Tunnel schützten ihn und erschwerten es den Russen, einen guten Schuss auf ihn abzufeuern. Nur sein Kopf und seine Schultern waren sichtbar, sodass er ein sehr kleines Ziel darstellte. Um ihn zu erwischen, mussten sie schon beträchtlich viel Glück haben. Aber wenn sie weiterhin aus zwanzig Metern Entfernung schossen, würde es ihnen irgendwann gelingen. Sie könnten aber auch eine Granate auf ihn zurollen. Obwohl sie mit einer Sprengung des Tunnels auch ihren einzigen sicheren Fluchtweg blockieren würden.
    Die Schüsse hörten auf. »Mohammed?«, rief einer der Männer.
    »Mohammed, der Bruder von Ahmed.«
    »Bruder von Ahmed?« Das Arabisch war ungelenk, und der russische Akzent klang deutlich durch.

    »Bruder von Ahmed!«, brüllte Wells zurück. Er musste sie nur noch ein paar Sekunden ablenken. »Ich kenne diese Tunnels. Ich kann uns retten.« Wells stützte seine rechte Hand, in der er die Makarov hielt, an der Tunnelwand ab. Als augenblicklich Schmerz die verletzte Schulter durchzuckte, biss er die Zähne zusammen.
    Mit der linken Hand griff Wells nach den Blendgranaten. Wenn möglich, beabsichtigte er, zumindest einen der Männer lebend gefangen zu nehmen. Er machte die Blendgranaten los und schob den linken Arm mühsam vorwärts, bis die Granaten vor ihm lagen. Wieder stützte er sich mit der rechten Hand, in der er die Makarov hielt, an der Tunnelwand ab.
    »Nam, meine russischen Brüder. Ich kenne diese Tunnels. Der Gang links führt …«
    »Warte … sprich langsam …«, rief ihm der Mann am anderen Ende in gebrochenem Arabisch zu.
    »Topko ubeyte ego!«, brüllte der zweite Mann.
    Wells hatte während seiner Zeit in Tschetschenien genug Russisch gehört, um zu wissen, was dies bedeutete. Töte ihn einfach. »Grenade«, fügte er noch hinzu. Dieses Wort bedurfte keiner Übersetzung.
    »Njet«, sagte der andere Mann. Wells entspannte sich ein wenig. Njet zur Granate, da zur Taschenlampe. Das würde ein ausgezeichnetes Ziel ergeben.
    Er redete weiterhin auf Arabisch in den Tunnel hinein. »Ihr müsst Ahmed kennen. Er trägt sein Gewand lose, aber seine Hosen eng. Die Männer lieben ihn, aber die Schafe fürchten ihn …« Zum zweiten Mal innerhalb einer Stunde fühlte Wells den Nervenkitzel des Nahkampfes. Junkies mussten dieses Hochgefühl empfinden, wenn sie

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