John Wells Bd. 3 - Stille des Todes
Frauen diesen Instinkt hatten. Vielleicht wollte sie ihn damit zurechtstutzen, um ihn handsamer zu machen. Oder sie mochte es schlicht lieber, wenn er sauber war. In seiner Zeit in Afghanistan hatte er sich oft wochen- oder gar monatelang nicht richtig gewaschen. Das war ihm wohl zur Gewohnheit geworden.
»Das kann ich schon selber.«
»Komm rein.«
»Du hast doch nicht etwa Hintergedanken?«
Eine Hand griff durch den Vorhang und zog ihn in die Dusche.
Danach saß sie neben ihm auf der Bettkante. Ihre Haut war warm und rosig, der Mund mit den geschwollenen Lippen leicht geöffnet. Auch Wells war außer Atem.
»Heute war es besonders schön«, sagte sie.
»Das behauptest du immer.«
»Es stimmt aber. Nur gut, dass wir jetzt unser eigenes Haus haben. Da macht es nichts, wenn ich laut werde.« Sie küsste ihn auf die Wange.
»Wir ziehen uns besser an, sonst kommen wir nie los.«
»Dann bleiben wir eben hier. Für immer. Nur wir beide, in unserer eigenen kleinen Welt.« Sie schlang die Arme um ihn. Ihre blauen Augen glänzten, und er wusste, dass es ihr damit ernst war. Wie er selbst hatte auch sie ihr Leben der CIA verschrieben. Dafür hatte sie alles aufgegeben - ihren ersten Ehemann, ihre Kinder, ihre Freunde.
Aber seit Wells aus China zurückgekommen war, hatte sie begonnen, sich von der CIA zu lösen. Sie interessierte sich mehr für ihre Urlaubsplanung als für die Vorgänge in Langley. Die Reise wurde immer länger. Zuerst waren es zwei Wochen in Südamerika, dann ein Monat. Jetzt sprach sie davon, sich auch noch Afrika anzusehen, und war mittlerweile bei sechs Wochen angelangt. Im Scherz hatte er ihr schon empfohlen, sich Prospekte über die Antarktis zu besorgen.
Wells konnte ihr das nicht verübeln, nicht nach allem, was in den letzten beiden Jahren passiert war. Aber aufhören? In Rente gehen? Das konnte er sich nicht vorstellen. Sein Job war alles, was er kannte. Er war sein Job.
Er löste sich von ihr. »Morgen«, sagte er. »Morgen bleiben wir für immer hier.«
»Versprochen, John?«
»Versprochen.«
Exley ging ins Bad, um sich zurechtzumachen. Liebst du mich, John? Liebst du mich wirklich? Weißt du überhaupt, was das Wort bedeutet? Wells zu lieben, das war wie Münzen in einen Brunnen zu werfen. Sie konnte sie in der Tiefe aufschlagen
hören, aber nur, wenn sie sehr aufmerksam lauschte.
Nicht, dass sie sich beschweren wollte. Sie hatte ihre Wahl getroffen, oder besser gesagt, ihr war keine Wahl geblieben. Sie konnte sich nicht vorstellen, je mit einem anderen Mann zusammen zu sein. Sie würde nehmen, was er ihr geben konnte. Und vielleicht fand sie eines Tages den Schlüssel, und er gehörte wirklich ihr.
Nun, vermutlich nicht.
Als sie ins Schlafzimmer kam, machte Wells Liegestütze. Die Narbe auf seinem Rücken zuckte bei jeder Bewegung. Er war fast vierzig, und die letzten beiden Jahre waren nicht gerade pfleglich mit ihm umgegangen. Aber dank Krankengymnastik, ständigem Training und seiner natürlichen Kraft war er mittlerweile über den Berg. Man sah ihm immer noch an, dass er einmal Football gespielt hatte. Seine Muskeln lagen unter der Haut wie Illustrationen aus einem Lehrbuch für Anatomie.
»Komm, setz dich auf meinen Rücken«, sagte er.
»Kindskopf! Gerade hast du geduscht, und jetzt kommst du wieder ins Schwitzen.« Trotzdem kniete sie sich auf ihn, während er die nächsten zwanzig Wiederholungen absolvierte. Sie wusste, dass er sich vor ihr produzierte, aber sie konnte nicht anders. Am besten gefiel er ihr, wenn er sich benahm wie ein großer Junge. Außerdem konnte sie der Versuchung nicht widerstehen, ihn auf diese Weise zu berühren. Als er fertig war, blieb sie einfach sitzen.
»Runter mit dir«, sagte er. »Du brichst mir noch das Kreuz.«
»Selber schuld.« Sie fuhr mit dem Finger über den
Schweiß auf seinem Rücken. »Komm schon. Wir müssen uns anziehen und zur Arbeit. Schließlich haben wir einen Job.«
Exleys Dodge Caravan war sechs Jahre alt und hatte von einem Auffahrunfall mit einem Taxi eine tiefe Delle im hinteren Stoßfänger. Der Teppichboden war schmuddelig und mit kaputten Stiften, Kleingeld und halbvollen Limoflaschen übersät. Die Heizung verströmte einen undefinierbaren, unangenehmen Geruch.
»Wie wär’s mit einem anständigen Auto?«, fragte Wells. »Zum Beispiel einem Ford Pinto Modelljahr 72.«
»Ich denke, der Materialismus des Westens widert dich an.«
»Materialismus des Westens? Weißt du nicht, wie sich Inder
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