Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
John Wells Bd. 3 - Stille des Todes

John Wells Bd. 3 - Stille des Todes

Titel: John Wells Bd. 3 - Stille des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
Vom Netzwerk:
Steward, brachte ihm Dramamine, das er nahm, und Xanax, das er ablehnte. Er wollte lieber leiden, als nicht alle seine Sinne beisammen zu haben. Doch als er die Augen schloss und zu schlafen versuchte, suchten ihn düstere Träume heim, unvollendete Gesänge, die immer am selben Ort endeten: der Überführung, auf der seine Familie gestorben war.

    Kurz vor Einbruch der Dunkelheit kam Jussuf zu ihm in die Kabine. Die Besatzung der Juno bestand ausschließlich aus Muslimen, und der Ruf zum Gebet drang, wie es sich gehörte, fünfmal täglich aus den Lautsprechern. Bei Sonnenuntergang erging die Aufforderung zum fünften und letzten Gebet des Tages, dem Maghrib, und Jussuf kniete sich auf den Boden der Kabine. Nasiji sah ihm zu.
    »Wolltest du nicht beten?«, fragte Jussuf, als er fertig war.
    »Ich wollte mich nicht übergeben.«
    »Warum glaubst du, hat uns Allah für diese Mission erwählt, Sayyid?« Diese Frage hatte ihm Jussuf noch nie gestellt. Es war die erste Äußerung, die auch nur andeutungsweise Zweifel an seinem Glauben oder der Rechtmäßigkeit ihres Tuns ahnen ließ.
    Nasiji überlegte. »Weil er wusste, dass wir stark genug sind, seinen Auftrag auszuführen.« Das war die einfachste Antwort.
    »Spricht er zu dir?«
    »Sehe ich aus wie ein Prophet, Jussuf?«
    »Aber du bist dir sicher.«
    »Ja, wir sind sein Werkzeug.« Wenn der göttliche Segen Jussuf beruhigte, sollte er ihn bekommen. Solange seine Hand nicht zitterte, konnte er denken, was er wollte. Nasiji brauchte Gottes Stimme in seinem Ohr nicht, um zu wissen, warum er diese Mission auf sich genommen hatte.
    »Kannst du dir vorstellen, wie es sein wird, wenn wir die Bombe zünden?«
    »Natürlich.«
    »Hast du keine Angst, so viele Menschen zu töten?«
    »Nein. Weder in diesem Leben noch im nächsten.« Das
stimmte. »Vergiss nicht, dass die Amerikaner die erste Bombe abgeworfen haben. Kennst du die Enola Gay ?«
    »Was ist das?«
    »Die Maschine, mit der die Amerikaner den Einsatz über Hiroshima flogen. Der Pilot hieß Paul. Er wurde sehr alt, über neunzig. Irgendwann habe ich ein Interview mit ihm gesehen. Er wurde gefragt, ob er traurig sei wegen dem, was er getan hatte.«
    »Und war er traurig?«
    »Überhaupt nicht.« Nasiji versuchte, sich an den genauen Wortlaut von Paul Tibbets Antwort zu erinnern. »Er sagte: ›Wir haben noch nie irgendwo Krieg geführt, wo keine Unschuldigen getötet worden wären. Es war ihr Pech, dass sie dort waren.‹«
     
    Nach Einbruch der Dunkelheit ließ der Seegang nach, und Nasiji schlief, bis ihn ein leises Klopfen an der Tür weckte.
    »Der Kapitän sagt, es ist Zeit«, meldete Haidar.
    Auf Nasijis Uhr war es 23.30 Uhr.
    Als sie ins Ruderhaus kamen, sah Nasiji, dass der Regen aufgehört hatte. Aber am Himmel ballten sich immer noch drohende Wolken, und die schwarzen Wellen unter ihnen trugen weiße Schaumkronen.
    »Fertig zum Umsteigen?«, fragte Haxhi.
    »Wie lange wird die Fahrt dauern?«
    »Vielleicht zwanzig Minuten. Es sind zwanzig Kilometer.«
    »Näher heranfahren können wir nicht?«
    »Hier draußen ist die Wahrscheinlichkeit, dass uns die Kanadier entdecken, sehr gering. Näher an der Küste …«
    »Ich verstehe.«

    »Es wird keine besonders angenehme Überfahrt werden, aber keine Sorge. Dieses Wetter ist für den Nordatlantik im Januar völlig normal, auch wenn man sich das kaum vorstellen kann.«
    »Wer bringt uns?«
    »Ich und Ebban.« Das war der Erste Offizier. »Ich sage doch, es gibt keinen Grund zur Sorge. Zumindest nicht auf dem Meer. Dafür, was an Land passiert, kann ich keine Garantie übernehmen.«
    »Darum kümmere ich mich.«
    »Dann los.«
    Das Rettungsboot, ein schwarz lackiertes, hochwandiges Stahlboot mit einem kleinen Außenbordmotor, war mit Trossen auf der Backbordseite des Frachters befestigt. Haxhi und seine Männer hatten bereits die schwere grüne Plastikplane abgenommen, mit der es zugedeckt gewesen war, und die Kisten mit den Gefechtsköpfen eingeladen. Sie waren in Plastik eingewickelt und mit dicken Leinen gesichert. Unter Nasijis aufmerksamem Blick wurde der lange Behälter mit den SPG-9 in Plastik verpackt und sicher unter den Bänken des Rettungsbootes verstaut. Die vierte und kleinste Kiste, die mit der Munition, wurde ebenfalls in Plastik eingewickelt und unter die vordere Bank geschoben.
    Nasiji tat vorsichtig einen Schritt vorwärts und beäugte die schwarzen Wellen unter ihnen. Er konnte kaum glauben, dass sie dieses kleine, nur sechs Meter lange Boot

Weitere Kostenlose Bücher