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Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)

Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)

Titel: Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Ahner
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Sein Onkel stellte ihm einen Teller mit braunem Brei vor die Nase, der ihn verdächtig an die grauenhaften Müsli-Kreationen seines Vaters erinnerte.
    »Iss!«
    »Ich hab keinen Hunger«, log Jonathan.
    »Hab ich selbst gekocht, also runter damit!«
    Er duldete keinen Widerspruch, und Jonathan hatte keine Lust, sich gleich am ersten Abend mit ihm zu streiten. Der Geruch drehte ihm fast den Magen um, doch zu seiner Überraschung war der Geschmack nicht übel. Er konnte Fleisch und Tomaten identifizieren, der Rest ging in einem Gemisch scharfer Gewürze unter.
    »Was ist das?«, fragte er.
    »Pferdegulasch!«
    Er musste sich die Hand vor den Mund halten, um nicht alles gleich wieder auszuspucken.
    Die Miene seines Onkels verfinsterte sich. »Das ist eine Delikatesse. Du wirst lange suchen müssen, bis du so etwas Frisches und Nahrhaftes in deiner Stadt bekommst.«
    Auch wenn sich alles in ihm sträubte, aß Jonathan. Und mit jedem Löffel schmeckte das Gulasch besser, was auch daran liegen mochte, dass es seine erste richtige Mahlzeit seit zwei Tagen war. Cassius schöpfte ihm nach, fütterte das Feuer im Ofen und nahm auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches Platz. Er wartete, bis Jonathan den letzten Bissen runtergeschluckt hatte, dann begann er zu sprechen.
    »Dein Vater glaubt, dass du hier in Sicherheit bist. Aber er war schon immer vertrauensselig. Von einer langen Reihe dummer Ideen ist es die dümmste, dich ausgerechnet hierher zu bringen.«
    Da war er wieder, der Satz. Ausgerechnet hierher.
    »Was meinst du damit?«, fragte Jonathan.
    »Cornelius ist der Meinung, dass du noch zu jung bist, um alles zu verstehen. Er denkt, es bringt dich auf dumme Gedanken, wenn du zu viel weißt. Ich sehe das anders. Ein Mann, der durch den Dschungel reist, sollte wissen, dass der Biss einer Kobra ihn töten kann. Aber du bist nicht mein Sohn. Ist also seine Sache.«
    Jonathan rutschte nervös auf seinem Sitz hin und her. »Wenn du etwas weißt, dann musst du es mir sagen, Onkel Cassius!«
    »Lass den verdammten Onkel weg. Und was das müssen betrifft: Ich muss gar nichts, mein Junge. Ich soll auf dich aufpassen, und genau das werde ich tun. Nicht mehr und nicht weniger. Wir beide müssen nicht die besten Freunde werden. Es reicht, wenn wir uns an gewisse Abmachungen halten. Das bringt mich zum eigentlichen Punkt dieser Unterhaltung. Hier gelten klare Regeln. Regel Nummer eins: Ich bestimme, was du tust und wohin du gehst. Regel Nummer zwei: Alles auf dieser Burg außerhalb deines Zimmers ist für dich tabu! Du wirst nichts anfassen und keine Alleingänge machen. Hier gibt es gefährliche Orte, an denen dich niemand schreien hört. Regel Nummer drei: Du wirst mit keinem im Dorf über mich reden. Die Leute und ich, wir lassen uns gegenseitig in Ruhe, und so soll es auch bleiben. Regel Nummer vier ist die wichtigste von allen, also hör mir gut zu, denn ich werde es dir nur einmal sagen.« Er beugte sich vor und verlieh seiner Stimme einen scharfen Unterton. »Ins Dorf gehst du nur mit meiner ausdrücklichen Erlaubnis, und vor Sonnenuntergang bist du wieder hier. Das Dorf, und damit meine ich den Ortskern, wird zu keiner Zeit verlassen. Hab ich mich klar ausgedrückt?«
    Das, was er nicht wissen durfte, lag also außerhalb des Dorfes. Jonathan spürte ein Fieber in sich aufsteigen. Plötzlich kam ihm eine Idee. Seine Eltern, seine Großeltern und seine Urgroßeltern hatten hier in Bärenfels gelebt. Die Zeugnisse ihrer Vergangenheit konnten nicht vollständig verschwunden sein. Es musste Akten geben, Fotos, Berichte, alte Freunde und Wegbegleiter. Wenn noch Spuren seiner Angehörigen existierten, dann musste er sie finden. Vielleicht konnten sie ihm Informationen über die Machenschaften seiner Eltern geben oder was es mit dem geheimnisvollen Herz des Lazarus auf sich hatte.
    »Hast du verstanden?«, rief Cassius noch einmal, als Jonathan nicht sofort reagierte.
    »Klar«, sagte er.
    »Sehr gut. Dann lass uns hoffen, dass du schlauer bist als dein alter Herr. Los, verschwinde! Ab ins Bett mit dir.«
    Jonathan ließ sich nicht lange bitten. Je eher er sich von Cassius entfernen konnte, umso besser. Er hatte eine fast körperliche Abscheu vor diesem alten Mann. Mit einem lustlosen »Gute Nacht« verabschiedete er sich und ging die Treppen hoch, um sich in seiner Kammer einzusperren.
    Als er sicher war, unbeobachtet zu sein, kramte er das gläserne Messer aus seinem Versteck hervor. Es lag auf dem entfalteten Tuch unter dem

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