Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)
der Chimerianer stiftete, die zischten und tuschelten. Schließlich hielt es Eliane nicht mehr aus.
»Trefft eine Entscheidung!«, bat sie.
Die Irrlichter sammelten sich. Die Großen unter ihnen, die gleißend hell waren und lange Schatten in den Wald warfen, lösten sich aus der Gruppe und näherten sich den beiden auf Armlänge, um ihre Entscheidung zu verkünden: »Wir können euch nicht helfen, denn zu hoch ist der Preis, zu groß das Opfer. Wir sind zu klein und zu schwach. Was können wir schon erreichen?«
Jonathan wollte sich seine Enttäuschung nicht anmerken lassen und seufzte. Den Gedanken kannte er nur zu gut.
»Ich verstehe euch. Habt Dank für alles, was ihr für uns getan habt. Und wünscht uns Glück.« Leise fügte er hinzu: »Wir können es brauchen.«
»Jonathan Harkan, warte!«, wisperten die Chimerianer. »Du trägst das Eyn, wir haben es gesehen. Du bist in großer Gefahr …«
Die leisen Stimmen wurden durch immer lauter werdende Schreie ersetzt, die selbst einem Schwerhörigen in den Ohren geschmerzt hätten. Eine feiste Hand tauchte inmitten der Chimerianer auf, packte den größten von ihnen und zerdrückte ihn wie eine Fliege. Sein Licht erlosch, und als er zu Boden geschleudert wurde, blieb eine geflügelte Gestalt zurück, die zu Staub zerfiel, ehe Jonathan ihre Formen richtig erkennen konnte. In wilder Panik stoben die verbliebenen Chimerianer auseinander, schwirrten durch die Nacht und verschmolzen hinter Büschen und Bäumen mit der Dunkelheit.
Sie machten den Weg frei für eine hochgewachsene Gestalt, die an der Spitze einer Gruppe bewaffneter Männer vor Jonathan und Eliane trat und mit einer Mischung aus Hohn und Verachtung auf sie herabsah. Riot. Hass sprühte aus seinem Blick, so tödlich wie Gift.
»Ihr habt also erreicht, was ihr wolltet. Nichtsnutzige Bälger, schlimmer als Pest und Cholera. Vor aller Welt habt ihr mich lächerlich gemacht. Vor meinen Männern, vor meinem Herrn und vor der alten Hexe Aurora. Das wird sie mir in hundert Jahren noch vorhalten!«
Einer seiner Schergen trat hervor und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Riot stieß ihn weg.
»Das Herz des Lazarus finden? Es ist wieder in den Händen der Chimerianer, du Narr! Genauso gut könntest du versuchen, mit bloßer Hand einen Schwarm Makrelen zu jagen. Nein.« Er packte Jonathan am Kragen und hob ihn mit spielerischer Leichtigkeit hinauf. »Das Herz des Lazarus ist für uns verloren, dafür hat dieser Winzling gesorgt. Und doch hat es ihm nichts genutzt.«
»Du hast verloren, Riot«, brachte Jonathan hervor. »Lass meine Eltern gehen.«
»Und verschwinde aus unserem Dorf!«, fügte Eliane wütend hinzu.
Riot ignorierte sie. »Ihr widerlichen kleinen Wanzen wart nicht leicht zu finden, das muss ich zugeben. Aber wenn du glaubst, dass du unsere Pläne in Gefahr gebracht hast, muss ich dich enttäuschen, Jonathan.« Ein böses Grinsen umspielte seine Lippen. »Es war Teil meines Auftrags, dem Großen Kreis das Herz des Lazarus zu entwenden. Nun, in gewisser Weise habe ich diesen Auftrag ja nun auch erfüllt.«
Für einen Moment war Jonathan sprachlos. Warum dieses triumphierende Lachen? Hatte Riot einen Plan in der Hinterhand? Hatte er ihn getäuscht?
»Aber ich hatte noch eine andere, wesentlich bedeutendere Mission, und die konnte ich nur dank dir meistern«, fügte er hinzu. »Nur wegen dir ist dein Vater hierher zurückgekehrt. Nur wegen dir ruft er den Großen Kreis zusammen, hier draußen in der Einöde, wo er abgeschnitten ist vom Rest der Welt und jeder Hilfe durch die Menschen. Nur dank dir haben wir die Chance, endlich reinen Tisch zu machen. Oder glaubst du wirklich, mein Herr lässt dich einfach laufen, wenn er doch weiß, dass du der Schlüssel zu allem bist? Wir haben dir erlaubt, dass Haus am Ende der Straße zu finden. Wir haben es zugelassen, dass du das Herz des Lazarus auf die Burg bringst, zu deinem Vater. Er lebt nur noch aus einem Grund – um berichten zu können, was er gesehen hat. Und während ihr euch beraten habt, was ihr mit diesem lächerlichen Stein anfangen sollt, habe ich meine Armeen gesammelt. Jetzt kannst du etwas über militärische Taktik lernen, mein Junge: Zerstöre die Moral des Feindes und setze ihn so unter Druck, bis er seine letzten Kräfte mobilisiert. Dann locke ihn in eine tödliche Falle, aus der es kein Entkommen gibt, und vernichte ihn!«
Jonathan spürte, wie das Blut in seinen Eingeweiden versickerte. »Du lügst!«, schrie er. »Ihr könnt den
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