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Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)

Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)

Titel: Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Ahner
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zorniger Blick streifte Jonathan und Eliane, dann wandte er sich an die Mitglieder des Großen Kreises, die eine schweigende Mauer vor ihm bildeten.
    »Ihr wisst, dass ihr diesen Kampf nicht gewinnen könnt«, sagte er. »Gebt mir euer Eyn, jeder von euch, und ich verspreche euch freies Geleit. Nicht ihr seid es, die mein Herr will, sondern das, was ihr verkörpert. Entsagt dem Großen Kreis, gebt diesen lachhaften Mummenschanz auf und überlasst die Menschen endlich ihrem Schicksal, so wie es ihnen vorherbestimmt ist. Dann werde ich euer Leben und das der ahnungslosen Leute im Dorf verschonen. Weigert ihr euch, wird es kein Entkommen geben. Das verspreche ich euch!«
    »Was ist es wert, das Wort eines Verräters?«, grollte Thorne und stapfte bedrohlich auf Riot zu. Im Angesicht des geflügelten Tiers schmolz selbst Riots hünenhafte Gestalt auf die Größe eines Zwerges zusammen. »Einst warst du einer von uns, aber du hast es vorgezogen, nach Reichtum und Macht zu streben.«
    Riot blieb unbeeindruckt. »Es ist das Recht des Stärkeren, sich zu nehmen, was ihm zusteht. Das ist die wahre Natur der Dinge.«
    »Niemals!«, gab Cornelius kalt zurück. »In so einer Welt, wenn es sie geben sollte, will ich nicht leben. Keiner von uns!«
    Cassius nickte zustimmend. »Wenn du glaubst, dass wir weichen und dir dieses Dorf oder auch nur einen Fußbreit dieser Wälder überlassen, dann bist du dümmer, als du aussiehst.« An seine Gefährten gewandt rief er: »Habe ich recht?«
    Zahllose Arme schossen in die Höhe, und zahllose Stimmen brandeten zu zornigem Jubel auf. Trotz der beeindruckenden Einigkeit las Jonathan nun doch Zweifel in manch einem der Gesichter. Diese Menschen waren keine Krieger. Sie waren normale Leute wie er selbst.
    »Hier wird es gleich zur Sache gehen, also lauft«, raunte Cornelius den Kindern zu. »Geht jetzt!«
    Dieses Mal duldete seine Stimme keinen Widerspruch, und Jonathans Beine gehorchten. Er gab Eliane ein Zeichen, und beide rannten los. Der Geruch von trockenem Gras hing in der Luft, erdrückt von aufkommender Schwüle, wie vor einem Gewitter.
    Sie erreichten den Glockenturm. Mit klopfendem Herzen schob er den schweren Schlüssel ins Schloss und stieß die Tür auf. Durch Schießscharten stießen Lichtstrahlen in die Dunkelheit, und Jonathan konnte eine vermoderte Treppe erkennen. Sie schoben die Tür hinter sich zu und rannten schnell nach oben zur Turmspitze. Eine morsche Luke versperrte den Weg, ließ sich aber mit etwas Rütteln öffnen.
    Dann waren sie auf dem Turm. Jonathan erzitterte, als er sich der Tiefe bewusst wurde und den unglaublichen Ausblick sah, der sich ihm von hier oben bot. Sie waren auf gleicher Höhe mit den Wipfeln der Bäume und konnten über den Dachfirst des Hauses hinaus auf die weite Lichtung sehen. Zwei Armeen standen sich dort unten gegenüber, Riot und seine Gefolgschaft auf der einen, der bunte Flickenteppich des Großen Kreises auf der anderen Seite. Gespenstische Stille herrschte. Sogar der Wind schwieg.
    Wer den Befehl zum Angriff gab, war aus der Entfernung unmöglich zu sagen. Beide Seiten setzten sich synchron in Bewegung und prallten mit brutaler Wucht aufeinander. Sie hatten keine Waffen außer ihren Händen, doch das machte den Kampf nicht weniger gefährlich. Jonathan glaubte Cassius zu sehen, der sich mit zornigem Gebrüll auf den Gegner stürzte. Cornelius ging im chaotischen Getümmel verloren.
    »Jonathan«, rief Eliane.
    Sie stand unter dem Dach des Turms, das auf schweren Balken ruhte und von moosbewachsenen Ziegeln bedeckt war. Darunter hing etwas, das einem kupferfarbenen Ei ähnelte. Seit Jahrzehnten, vielleicht sogar Jahrhunderten ruhte es bewegungslos in seiner Aufhängung, mit Zapfen fest in seiner Fassung verkeilt, sodass auch der schlimmste Sturm es nicht in Schwingung versetzen konnte.
    »Wir müssen diese Keile entfernen. Ohne deine Hilfe schaffe ich es nicht.«
    Jonathan stellte sich unter die Glocke und half Eliane, nach oben zu klettern. Sie streckte sich, bis sie den untersten Balken der verwinkelten Dachkonstruktion packen konnte, und zog sich hoch. Sie hangelte sich unter den Dachfirst entlang und lockerte die Zapfen, die die Glocke fixierten.
    »Das ist doch irre!«, schnaufte sie. »Wir sollen einen Troll wecken! Einen leibhaftigen Troll. Weißt du, was meine Großmutter erzählt hat? Dass es Trolle waren, die die Berge und Täler erschaffen haben, wenn sie zornig waren.«
    Jonathan blieb in Gedanken bei seinem Vater. Nervös

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