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Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)

Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)

Titel: Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Ahner
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blickte er aus den großen Rundbogenfenstern auf den Kampf, der unter ihnen tobte. Er sah die Mitglieder des Großen Kreises, die den Angriffen von Riots Soldaten mit der Kraft ihrer Fäuste begegneten. Ihr Eyn leuchtete hell und gab ihnen große Kraft. Nichtsdestotrotz waren sie unterlegen.
    Hoffnungslos unterlegen.
    Jonathan konnte beobachten, wie sie von ihren Gegnern zusammengetrieben wurden. Immer mehr von Riots Soldaten strömten aus dem Wald herbei. Bald schon waren die Gefährten seines Vaters eingekreist. Verzweifelt hielt er nach Cornelius Ausschau.
    »Ich hab’s!«, rief Eliane. Probehalber schlug sie mit ihrer Faust gegen die Glocke, die nun frei hing. Nicht der kleinste Ton war zu hören. »Da ist kein Klöppel drin!«, schrie sie gegen den Lärm an. »Wir brauchen den goldenen Schläger, von dem dein Vater gesprochen hat.«
    Jonathan bemerkte sie nicht. Er konnte seinen Blick nicht abwenden von dem Drama, das sich vor seinen Augen abspielte.
    »Jonathan, hörst du mich?« Auch Eliane war der Verzweiflung nahe. »Ich weiß, dass es schlimm ist, was da unten geschieht, aber du musst mir jetzt helfen. Wir brauchen diesen goldenen Klöppel. Ohne ihn gibt dieses Ding keinen einzigen Ton von sich.«
    Bevor er antworten konnte, hörte er eine Stimme hinter seinem Rücken, die ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ.
    »Sucht ihr vielleicht das hier?«
    Seppuku. Von seiner filzigen Haarmähne waren nur noch ein paar Strähnen übrig, und seine Kopfhaut war so rot wie das Hinterteil eines Pavians. Sein selbstgefälliges Kichern war einer Grimasse zorniger Boshaftigkeit gewichen.
    »Ihr hättet besser im Turm nachsehen sollen, ihr Kinderlein. Das ist keine gewöhnliche Glocke. Dort, wo es herkommt, nennt man es ›Uvorium‹. Nur mit einem einzigen Schläger lässt es sich einen Ton entlocken. Wenn du diesen Schläger verlierst, bleibt ein Uvorium stumm. Aber woher sollt ihr das wissen? Die Erwachsenen teilen ihre Geheimnisse nun mal nicht gern mit ein paar Hosenscheißern. Selbst der gute Cornelius Harkan lässt seinen kleinen Jungen lieber ins Verderben rennen, als einen dummen Eid zu brechen. Ach, ihr armen Kinderlein, ihr wisst so wenig über das, was hier gespielt wird, nicht wahr? Gerät sie aus den Fugen, eure kleine kunterbunte Kinderwelt? Plötzlich sind da Kreaturen, die ihr euch in euren wildesten Fantasien nicht vorgestellt habt, und Dinge, von denen ihr nicht einmal zu träumen gewagt hättet. Glaubt mir, das ist erst der Anfang.«
    Jonathan und Eliane waren starr vor Angst, unfähig, auch nur einen Gedanken zu fassen. In diesem Augenblick hörten sie das Signal. Es war ein Pfiff, begleitet von einem Schrei seines Vaters, den Jonathan aus einer Million Stimmen heraushören konnte: »Jonathan! Jetzt! Schlag die Glocke! Weck den Riesen!«
    Angst und Zorn rangen in Jonathans Brust. Er wollte nach dem Schläger greifen, der das Uvorium erweckte. Grinsend trat Seppuku einen Schritt zurück und hielt ihn aus dem Fenster. Jonathan und Eliane schrien gleichzeitig auf, doch sie konnten es nicht verhindern. Seppuku öffnete die Hand. Der goldene Schläger fiel in die Tiefe.
    »Jonathan!«, rief Cornelius’ Stimme, die zunehmend an Kraft verlor. »Worauf wartest du? Schlag die Glocke …«
    Jonathan rannte ans Fenster und beugte sich so weit vor, dass er um ein Haar selbst hinausgestürzt wäre. Was er sah, raubte ihm die letzte Hoffnung: Der Schläger verschwand in einem wild brodelnden Meer aus Menschen. Die meisten davon gehörten zu Riots Männern. Von den hundert Kämpfern des Großen Kreises waren weniger als die Hälfte noch auf den Beinen. Auch Riots Armee hatte Opfer hinnehmen müssen, doch ihre schiere Übermacht war der entscheidende Vorteil: Sie drängten das letzte, versprengte Häuflein um Cassius und Cornelius zusammen, sodass es kein Entkommen gab. Sogar Thorne wurde trotz seiner gewaltigen Kräfte von einer Heerschar wütender Angreifer überwältigt. Er schüttelte sich und schlug mit seinen Pranken um sich, doch es waren zu viele, die ihn mit spitzen Holzstöcken und Fäusten traktierten. Seine Rüstung war zerstört, sein Fell mit Blut befleckt, und sein rechtes Auge schwoll zu, sodass er halb blind war. Mit einem markerschütterten Fauchen begehrte er noch ein letztes Mal auf.
    »Jonathan …«, keuchte Cornelius ein letztes Mal, bevor auch seine Stimme erstarb.
    Der Kampf war verloren.
    Jonathan riss sich von dem schrecklichen Anblick los. Bedrohlich ging Seppuku auf ihn zu.
    »Es war

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