Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)
wir, Eliane! Wir haben Angst um euch.« Cassius seufzte. »Wir müssen euch irgendwo in Sicherheit bringen.«
»Und ich weiß auch schon, wo«, übernahm Cornelius und warf seinem Bruder einen wissenden Blick zu.
Cassius lachte abschätzig. »Du meinst es also wirklich ernst.«
»Es war mir von Anfang an ernst, großer Bruder. Nur deshalb sind wir hier, beim alten Haus.«
»Hattest du nicht eben noch Angst davor, Jonathan zu den Chimerianern zu schicken? Und nun rufst du das Unheil selbst herbei. Du weißt genau, warum unsere Familie dieses Haus einst verlassen musste. Es gibt einen guten Grund dafür …«
»… den ich nie verstehen konnte. Gumbold ist keine Gefahr für uns. Viele Jahrhunderte lang war er ein Freund, ein Beschützer!«
Kopfschüttelnd wandte Cassius sich ab, eine Geste, die Cornelius die Zornesröte ins Gesicht trieb. Jonathan und Eliane verfolgten die Diskussion mit wachsender Ungeduld. Sie hatten keine Ahnung, wovon die beiden sprachen. Cornelius packte Cassius an den Schultern und ging ihn mit ungewohnter Entschlossenheit an.
»Ja, ich wollte nie ein Träger des Eyn sein, ich bin nie so weit gereist wie du, und ganz sicher verstehe ich nicht halb so viel von all dem geheimnisvollen Plunder hier wie du, Cassius. Aber ich weiß, was ich sehe, und ich sage dir, Gumbold Blogarth wird uns helfen!«
»Wir haben ihn schon einmal um Hilfe gebeten, doch statt unserer Feinde hat er uns angegriffen.«
»Ein Unfall …«, seufzte Cornelius.
»Und die Geschichte mit den verlorenen Wanderern?«
»Du weißt so gut wie ich, dass das eine Lüge ist! Gumbold ist kein Mörder!«
»Cornelius, es gibt Gründe, warum der Große Kreis beschlossen hat, das Haus verschwinden zu lassen. Gumbold Blogarth ist ein unkontrollierbares, jähzorniges Monster! Deshalb wurde er aus seiner Heimat verbannt und hier im Wald versteckt. Ich weiß, warum du das Gegenteil glaubst: weil dein Herz so groß ist und dein Hirn so klein.«
»Nein, Cassius. Ich weiß es, weil mich die vergangenen Jahre als Vater und Ehemann auch etwas gelehrt haben, ob du es glaubst oder nicht.«
»Und was wäre das, bitte schön?«
»Mit dem Herzen zu sehen«, rief Cornelius wütend und fügte mit Blick auf Jonathan hinzu: »Das hat mir Helena beigebracht.«
Der Gedanke an seine Mutter versetzte Jonathan einen Stich. Auch Cassius’ Miene wurde plötzlich weicher.
»Nur für sie stehen wir hier und kämpfen«, schloss Cornelius.
Zerknirscht nickte Cassius. »Dann tu, was du nicht lassen kannst. Wollen wir hoffen, dass du Recht behältst, kleiner Bruder, sonst werden wir alle zu Staub zermalmt. Sag den Kindern, was sie tun müssen.«
Cornelius ging vor den beiden in die Knie. »Jonathan, Eliane, ihr müsst mir jetzt genau zuhören. Ihr kennt den alten Turm hinter dem Haus. Ich gebe euch den Schlüssel. Steigt hinauf bis in die Spitze. Ihr werdet eine Glocke finden, die fest verankert ist. Entfernt alles, was sie fixiert, sucht den goldenen Schläger, und wenn ihr mein Signal hört – nicht eine Sekunde früher! –, dann schlagt sie. Ein einzelner kräftiger Schlag dürfte genügen. Danach geht in Deckung und haltet euch die Ohren zu.«
»Was wird dann geschehen?«, fragte Eliane.
»Gumbold Blogarth wird erwachen«, sagte Cornelius. Er las den Schreck in den Augen der Kinder und fügte hinzu: »Er ist keine Schönheit, aber glaubt mir, er wird euch nichts tun. Er steht auf unserer Seite! Ich kenne ihn schon sehr lange.«
Eliane runzelte die Stirn. »Gumbold … wer?«
»Er ist ein Aschenriese, ein Tyraner, der Größte, den ich je gesehen habe. Vor vielen Jahrhunderten gab es viele wie ihn, besonders im Norden, in den Bergen von Schweden und Norwegen.«
»Trolle … Sie sprechen von Trollen«, warf Eliane atemlos ein.
Cornelius nickte. »So wurden sie auf unserer Welt genannt, ja. Gumbold kam vor langer Zeit zu uns und erhielt vom Großen Kreis die Erlaubnis, in diesem Boden zu schlafen. Der Glockenturm wurde errichtet, damit wir ihn, falls es nötig wird, wecken können. Vielleicht kann er in dieser irrsinnigen Schlacht die Wende bringen.«
Jonathan machte ein skeptisches Gesicht. »Warum weckst du ihn dann nicht gleich?«
Cornelius zögerte, und es war deutlich zu erkennen, dass auch er seine Zweifel hatte. Cassius hatte also doch recht gehabt. Es war ein Risiko, den Riesen zu Hilfe zu rufen.
»Es ist Jahrzehnte her, dass er zum letzten Mal wach war, und Aschenriesen sind … nun ja, berüchtigte Morgenmuffel. Wenn wir ihn schon
Weitere Kostenlose Bücher