Jones, Diana Wynne
sanft pochen zu sehen. Und jede Menschenseele im Tal hatte unter seinem Einfluss die Welt rings herum vergessen.
Schließlich ließ Moril, leicht beklommen, die Quidder nur noch brummen. Er hoffte, damit ihre Wirkung aufrechtzuerhalten. Durch die schwere, stille Luft schritt er zu Kialan. Der Grafensohn war noch immer gefesselt. Tholians Treue hatten zwar vorgehabt, ihn loszubinden, aber dazu waren sie nicht mehr gekommen. Moril trat in der brummenden Stille zu Brid und zog ihr das Messer aus dem Stiefel. »Danke«, flüsterte er, und er glaubte, dass Brid sich ein wenig rührte. Mit dem Messer durchschnitt er einen Strick nach dem anderen, bis Kialan befreit auf Gras rollte. Er war noch immer bewusstlos.
Moril beugte sich nieder und schüttelte ihn. »Kialan!«, sagte er.
Kialan kam zu sich, als er seinen Namen hörte. Fast bedauerte Moril es, Kialan verzog das Gesicht augenblicklich vor Schmerz und Elend.
»Es ist schon gut«, flüsterte Moril. »Alles schläft. Schnell. Ich weiß nicht, wie lange es anhält.«
Kialan erhob sich. Er war sehr steif und zuckte bei jeder Bewegung zusammen. Ungläubig starrte er auf Tholian hinab, der mit dem Kopf in den Armen am Boden schlief, blickte zu Brid und dann in das stille, brummende Tal, wo ein ganzes Heer schlafend lag. »Ihr Götter!«, sagte er. »Warst du das mit deiner Quidder?«
»Ja«, antwortete Moril. »Beeil dich.« Er eilte zu Brid und schüttelte sie. Brid rollte sich herum, aber sie wachte nicht auf.
Kialan hinkte ihm nach. »Wie wär’s, wenn du sie schlafen lässt?«, schlug er vor. »Sobald sie aufwacht, sind wir gewarnt, dass die Wirkung verflogen ist.«
Moril fand die Idee ausgezeichnet. So ist das mit Kialan, dachte er, während er zum Wagen eilte. Kialan hat Köpfchen. Auch Olob döste, und das war ernst. Moril schnipste vor seiner Nase mit den Fingern. »Olob! Barangarolob!« Und Olob schüttelte den Kopf und blickte Moril verwundert an. Moril band ihn los und brachte ihn eilig zu Brid, obwohl Olob nicht in die Nähe der Feinde – auch wenn diese jetzt schliefen – gehen wollte. Während er am Zügel zerrte, dachte er bei sich, wie eigenartig das Tal aussah, worin jeder schlief bis auf die einsame aufrecht stehende Gestalt Kialans. Er zog Olob zu Brid und öffnete die hintere Klappe, weil seine Schwester sich dort am einfachsten aufladen ließ. Danach stellte er die Quidder zurück ins Gestell. Noch immer klang sie leise nach.
»Wirf den Weinkrug hinaus«, riet Kialan. »Der Wagen sollte so leicht wie möglich sein.«
Moril schob den großen Krug vom Wagen. Er landete mit einem heftigen Aufschlag, der eigentlich Tote hätte erwecken müssen, auf dem Boden, doch Brid, die gleich daneben schlief, regte sich nicht einmal.
Kialan lachte. »Tholian kann alles geschenkt haben. Nachrichten, die er kennt, und Geld, das er nicht will. Soll er auf unser Wohl trinken.«
Moril kicherte gedämpft bei dieser Vorstellung, aber er sagte nichts. Er wurde nämlich das Gefühl nicht los, seine Stimme sei am ehesten geeignet, die Schläfer zu wecken. Er kletterte in den Wagen zurück und warf die meisten von Dagners Einkäufen hinunter: die Kerzen, das Mehl, die Linsen und den Rest Rhabarber.
»Ach, er wird davon begeistert sein!«, keuchte Kialan. Obwohl er noch sehr steif in den Gliedern war, gelang es ihm, Brid unter Kopf und Schultern zu fassen und ihren Oberkörper auf den Wagen zu hieven. Moril ergriff sie bei den Schultern und zerrte sie auf die Ladefläche, wo sie sich mit einem leisen Seufzen zusammenrollte. Kialan kletterte zu ihr hinauf. Moril verriegelte die Klappe und stieg auf den Kutschbock.
»Jetzt, Olob«, flüsterte er. »Lauf. Lauf um dein Leben.«
Olob warf den Kopf herum und rannte los. Er rannte zwar nicht im Sinne des Wortes, aber er zog den Wagen rasch über die festgestampfte Erde des Weges, auf dem sie in das Tal gelangt waren. Moril schaute über die Schulter, als sie bei den Bäumen anlangten. Tholian lag neben ihrem Vorratshaufen. Hinter ihm glaubte Moril einen feinen Nebel zu sehen, der sich vibrierend über das ganze Tal gelegt hatte. Die Macht der Quidder wirkte noch.
»Was ist mit den Soldaten an der Straßensperre?«, fragte Kialan, während Olobs Hufe auf dem steilen Weg klapperten.
»Das weiß ich nicht«, sagte Moril besorgt. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie weit die Macht der Quidder reichte, und die Sperre war hinter ihm gewesen, während er spielte. Als sie die Hauptstraße erreichten, hielt Moni den Atem
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