Jones, Diana Wynne
sie doch gleich? Harchads Tochter… sie ist einem der …«
Hildy unterbrach ihn mit einem Schrei. Ihr Vater durfte sie Hildy nennen, wenn er wollte, obwohl gewöhnlich nur Ynen sie so rief, aber der Gedanke, mit ihren schrecklichen Basen in einen Topf geworfen zu werden, war einfach zu viel. »Dann entlobe mich eben wieder!«, rief sie. »Und zwar sofort, sonst bereust du es!«
»Du weißt, dass ich das nicht kann«, entgegnete ihr Vater. »Die Verlobung ist das Werk deines Großvaters und nicht meins.«
»Dann wird es eben ihm Leid tun!«, verkündete Hildy und rauschte zur Tür.
Navis rief ihr hinterher. Es fiel ihm leichter, zu ihrem Rücken zu sprechen. »Hildrida! Mach keine unwürdige Szene, sei brav. Es nutzt doch nichts. Ich rate dir, geh in die Bibliothek und lies über die Heiligen Inseln nach, was du findest. Du wirst feststellen, dass sie recht interessant sind.«
Die Hand auf dem Türknauf, blieb Hildy stehen. Inseln waren doch von Wasser umgeben, oder? Vielleicht konnte sie diesen vernichtenden Schlag am Ende noch zu ihrem Vorteil wenden. »Wenn ich auf die Heiligen Inseln gehe, dann sollte ich doch wohl Segeln lernen, oder etwa nicht?«, fragte sie.
»Ja, das denke ich schon«, antwortete Navis. Aus Erleichterung, dass sie nicht mehr tobte, fügte er tröstend hinzu: »Aber es vergehen ja noch einige Jahre, bevor du uns verlässt.«
»Dann habe ich genügend Zeit, es zu lernen«, entgegnete Hildy. »Wenn ich verspreche, keine Szene zu machen, bekomme ich dann ein eigenes Boot?«
»Äh … wenn du das möchtest.«
»Das möchte ich allerdings. Aber du musst das Boot Ynen schenken, denn er bekommt nie etwas«, sagte sie. »Sonst mache ich nicht nur bei Großvater eine Szene, sondern im ganzen Palast.«
Mittlerweile wünschte Navis sich nur noch, mit seinem Buch in Frieden gelassen zu werden. »Ja, ja«, sagte er. »Wenn du nun brav gehst und keine Szene machst, dann bekommen Ynen und du das beste Boot, das man für Geld kaufen kann. Genügt dir das?«
»Ja, vielen Dank, Vater«, sagte Hildy steif und bitter und stürzte aus dem Zimmer.
Im Palast wich man ihr aus. Selbst ihre Basen waren so klug, ihr aus dem Weg zu gehen, als sie Hildrida kerzengerade und mit einem kreidebleichen Gesicht, das so starr war wie eine Maske beim Seefest, durch die Korridore marschieren sahen. Jeder wusste, dass Hildrida das Temperament ihres Großvaters Hadd geerbt hatte. Nur Ynen wagte es, in ihre Nähe zu kommen, aber er getraute sich nicht, auch nur ein Wort zu sagen. Hildy rauschte in ihr Zimmer und begann die Zimmereinrichtung, von der vergoldeten Uhr und bis hin zu dem mit Goldfarbe bemalten Nachttopf, einzusammeln und auf den Boden zu häufen. Dann schlug sie alles mit dem Schürhaken in Stücke. Ynen hockte schüchtern auf der Fensterbank und zuckte während des Zerstörungswerkes immer wieder zusammen. Er wagte noch immer nicht, etwas zu sagen, und Hildy schleuderte das – geringfügig verbogene – Schüreisen beiseite und setzte sich vor ihre Frisierkommode, wo sie lange und mit großem Ernst ihr schmales, weißes Gesicht im Spiegel betrachtete. Den Spiegel hatte sie absichtlich nicht zerschlagen.
»Ich bin doch ein Mensch«, sagte sie endlich. »Oder nicht?«
»Doch«, sagte Ynen. »Was ist passiert, Hildy?«
»Und ich bin kein Gegenstand«, sagte Hildy. »Was passiert ist? Ich bin verlobt worden. Und niemand hat mir etwas davon gesagt. Einem Gegenstand sagt man auch nicht, was man mit ihm vorhat. Glaubst du etwa, ich sitze dabei still? Meinst du, es macht mir nichts aus, als wäre ich wirklich ein Gegenstand? Meine Basen sind auch verlobt.«
»Das wird noch einen furchtbaren Wirbel geben«, prophezeite Ynen. »Darfst du jetzt nicht mehr segeln gehen?«
»Im Gegenteil«, erwiderte Hildy. »Wir schlagen dabei sogar ein eigenes Boot heraus. Irgendwie muss man schließlich von Insel zu Insel kommen. Ich glaube, ich gehe jetzt in die Bibliothek.« Sie stand auf und verließ ihr Zimmer. Ynen folgte ihr. Noch immer stand er vor einem Rätsel, aber das war er gewohnt. Eins wusste er: Wenn er mehr über das versprochene Boot erfahren wollte, musste er sehr geduldig und einfühlsam vorgehen.
Die Bibliothek war ein hoher Raum aus geflecktem Marmor, und in der hohen Decke befand sich ein gewölbtes Fenster. Hildrida, die hier sehr klein wirkte, schritt, vom noch winzigeren Ynen gefolgt, auf den Bibliothekar zu. »Bring mir alle Bücher, die du über die Heiligen Inseln hast«, verlangte sie.
Der
Weitere Kostenlose Bücher