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Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 02 Die heiligen Inseln
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holte Garn und Seile herbei. Mitt rief ihnen Ratschläge zu. Hildy durchsuchte die Kajüte nach Hilfsmitteln, die vielleicht das Gewicht einer nassen Weizenpuppe tragen konnten. Mitt erteilte ihnen so viele Ratschläge, dass Hildy ihn schließlich anfuhr: »Ach, halt den Mund! Wir wissen mittlerweile, dass du jedes Jahr den Alten Ammet aus dem Meer birgst.«
    Darauf gab es nun wirklich keine Antwort. Mitt verstummte zornig und tröstete sich, indem er knurrte: »Verdammte Weiber! Sie sind alle gleich. Das merkt man immer wieder.« Hochmütig beobachtete er, wie sie den Armen Alten Ammet an einen Besenstiel banden, eine golden bemalte Bilderleiste und zwei Holzlöffel, dann verzurrten sie ihn an die eine Hälfte der Tür, die zu dem golden bemalten Verschlag mit dem rosenverzierten Eimer gehörte. Dann banden sie ihn sehr fest an den Bugspriet, wo er sich mit den Bewegungen des Schiffes stolz hob und senkte. Mitt wusste, dass er es selbst nicht besser hätte machen können. Darum sagte er wissend: »Er wird schon steifer. Schließlich steckt er voller Salz. Wisst ihr, vielleicht beginnt er sogar ein bisschen zu muffeln.« Dann aber ließ er seinen ehrlichen Stolz sehen. »Sieht gut aus, oder?«
    Ynen und Hildy stimmten ihm rückhaltlos zu. »Warum«, fragte Hildy, »findet eigentlich niemals jemand Libby Bier?« Sie bückte sich und schielte unter dem Großsegel hinweg, als erwarte sie, Libby Bier in diesem Moment auf der anderen Seite des Bootes in der grauen, Wellen schlagenden See zu erspähen.
    »Sie besteht aus Weintrauben und matschigen Beeren«, sagte Ynen. »Sie saugt sich bestimmt im Nu voll Wasser und geht unter. Es wäre ein echtes Wunder, wenn wir sie auch noch fänden.«
    Mitt lachte und schlug auf die ausgebeulte Tasche seiner rot-gelben Hose. »Ich hab’s bis jetzt völlig vergessen! Es ist ein Wunder. Hier. Seht nur!« Er zog die kleine Wachspuppe von Libby Bier aus der Tasche. Wie der Arme Alte Ammet wirkte sie recht mitgenommen. Die Wachsbeeren waren flach gedrückt, und die Stofffasern hatten sich eingeprägt. Die bunten Bänder waren nur noch schlammige Fäden. Trotzdem hätte sie Hildy und Ynen kaum mehr entzückt, wenn sie neu und heil und funkelnd bunt gewesen wäre.
    »Ach wie schön!«, rief Ynen. »Wir müssen das glücklichste Boot auf der ganzen Welt sein. Soll ich sie ans Heck binden?«
    »Nur zu«, sagte Mitt.
    »Sie ist wunderschön«, sagte Hildy. Sie betastete Libby Bier, während Ynen neues Garn abrollte. »Ich habe mir immer eine gewünscht, aber wir dürfen uns an den Ständen nichts kaufen. Diese winzigen Rosenhüften. Wie bist du an Libby gekommen?«
    »Während ich abhaute«, sagte Mitt. »Eine Dame in einem Büdchen hat sie mir geschenkt, als Glücksbringer.«
    »Du meinst, sie wusste, dass du auf der Flucht warst?«, fragte Hildy und reichte Libby Bier widerstrebend an Ynen weiter, damit er sie hinter der Ruderpinne festband.
    »Nein«, antwortete Mitt. Er heftete die Augen auf den sanft schwankenden Horizont und wünschte, dieses dumme Mädchen könnte begreifen, welches Leben jemand wie er in Holand führen musste. »Aber gleich danach hat sie erfahren, dass ich weglief, als nämlich die Soldaten nach mir fragten. Sie hatte mir Libby Bier gegeben, um mich ein wenig aufzuheitern – wisst ihr, ich machte ein Gesicht so lang wie der Kooggraben, weil ich keine Ahnung hatte, wohin ich gehen oder was ich tun sollte. Als die Soldaten sie nach mir fragten, musste sie zugeben, dass sie mich gesehen hatte. Sie konnten es nicht wagen, mich nicht zu verraten. So sind die Menschen. Zu euch sind sie natürlich anders.«
    Ynen dachte eine Weile darüber nach, während er die Wachsfigur sorgfältig mit Schnur umschlang und festknotete. »Jetzt sind wir aber auch auf der Flucht – in gewissem Sinn jedenfalls. Warum sollten sie anders zu uns sein? Wenn ein Fischer die Straße des Windes sichtet, wird er es melden. Aber trotzdem fühle ich mich deswegen nicht elend.«
    Mitt sah, dass Ynen gar nicht begriffen hatte, worum es eigentlich ging. Er musste an Milda, Hobin und die Mädchen denken, an die Menschen vom Hafenviertel, die über seine Scherze gelacht hatten, wenn er Fisch verkaufte, an die Dutzende von Menschen, die er niemals wieder sehen würde, und er war beinahe wütend genug auf Ynen, um ihn vom Heck, wo er hockte, ins Meer zu stoßen. »Aber ihr habt euch nicht gerade außerhalb des Gesetzes gestellt, oder etwa doch?«
    »Das haben wir wohl, wenn auch in anderer Hinsicht«, sagte

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