Josepsson, Aevar Örn
oder womöglich wegen beidem, das hatte er nie richtig feststellen können. Laut Einwohnermeldeamt war sie dort behördlich registriert, genau wie der Mann, auf den jemand mit dem Messer losgegangen war. Sie konnte eine brauchbare Beschreibung von Úlfur geben, der zwei Stunden später blutbefleckt auf dem Skólavörðustígur aufgegriffen worden war. Das Blut stammte vom Opfer, und Úlfur konnte keine plausible Erklärung dafür abgeben, wieso er damit bespritzt war. Und jetzt lebte er mit dieser Tinna zusammen – nein, er war sogar mit ihr verheiratet, und sie hatten zwei Kinder.
»Diese Menschheit«, murmelte Guðni mit zusammengebissenen Zähnen, während der Stumpen auf und ab ging. » Fucking idiots , alle durch die Bank.« Er schlug die Wohnungstür hinter sich zu und ging hinüber in Ólafurs Wohnung, wo Friðjón und Eydís sich immer noch um die Leiche herum zu schaffen machten. Der Rechtsmediziner Geir war immer noch nicht erschienen, aber dadurch ließen sie sich nicht beeinträchtigen, denn es bedurfte keiner Bestätigung seinerseits, dass Ólafur Áki Bárðarson tot war.
»Fingerabdrücke am Messer?«, fragte Guðni ohne Umschweife.
Der Hund nickte. »Ja.«
»Einer oder mehrere?«
»Weiß ich noch nicht. Alle ziemlich undeutlich.«
»War er Säufer?«
»Wer?«, bellte der Hund.
Guðni schlug die Hände zum Himmel. »Mr. Iceland natürlich, wer denn sonst?« Er nickte zu den Überresten im Sessel hinüber. »Unser anorektischer Freund dort, der war doch Säufer, oder nicht?«
»Was meinst du damit?«
»Was ich damit meine? War er Säufer oder war er kein Säufer?«, knurrte Guðni, der genauso bissig sein konnte wie der Hund, wenn er wollte. » Simple question, yes or no .«
Friðjón gab ihm voll Kontra. Er sprang wie von der Tarantel gestochen auf und fuchtelte mit dem Handstaubsauger vor Guðnis Nase herum. »Säufer, Säufer, Säufer«, blaffte er geifernd, und Guðni war froh, dass der Kerl eine Maske trug. »Selber Säufer. Hier sind Gläser, hier sind Flaschen, und zwar überall. Du ziehst die Schlüsse, nicht ich.«
Guðni ließ sich zwar selten ein ordentliches Wortgefecht durch die Lappen gehen, aber er wusste auch, dass es nichts brachte, sich mit dem Hund zu fetzen. Ganz entgegen seiner Gewohnheit steckte er zurück.
»Okay«, lenkte er ein. »Sorry. Sind diese Fingerabdrücke digital abrufbar?«
Friðjón schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Würde auch nichts bringen, hier gibt’s keinen Netzanschluss. Wieso?«
»Weil ich den Verdacht habe, dass dieselben Abdrücke bei euch in der Datenbank zu finden sind«, erklärte Guðni selbstzufrieden und klemmte die Daumen hinter den stramm sitzenden Hosenbund. »Ich würde euch empfehlen, dass ihr damit beginnt, sie mit denen eines gewissen Úlfur Kolbeinsson zu vergleichen. Je eher, desto besser.« Als Guðni Friðjóns Grimasse sah, beeilte er sich, Missverständnissen vorzubeugen. »Nicht, dass ich euch Dampf machen will«, sagte er und zwinkerte dem Hund zu, »ein akuter Fall ist es ja nun wirklich nicht.« Dann drehte er sich auf dem Absatz um und verließ die Wohnung.
»Was sollte das denn?«, fragte Eydís, die auf allen vieren hinter dem Sofa herumkroch.
»Keine Ahnung«, antwortete der Hund brüsk, »und ich hab auch keinen Bock, darüber nachzudenken. Aber diesen Gefallen können wir ihm tun.« Er zog die Kamera hervor und hielt sie Eydís hin. »Hier, bring das ins Dezernat, und das hier kannst du auch mitnehmen …« Er streckte die Hand nach den Folien aus, mit deren Hilfe er die Fingerabdrücke am Messer abkopiert hatte. »Gib das den Jungs, und dann komm wieder her, hier gibt’s noch jede Menge zu tun.«
Als Eydís das Beweismaterial entgegengenommen hatte, kniete Friðjón sich wieder hin und schaltete den Staubsauger ein. Natürlich wäre es einfacher und schneller gegangen, irgendjemanden von den beiden Uniformierten mit diesen Sachen loszuschicken, aber Eydís dachte nicht im Traum daran, ihn auf eine so augenfällige Tatsache hinzuweisen, denn man wusste nie, wie er darauf reagieren würde. Die eine Möglichkeit bestand darin, dass er ihr Vorwürfe machte, weil sie sich in organisatorische Dinge einmischte, und sie hatte nicht die geringste Lust, sich diese Litanei für den Rest des Abends anhören zu müssen. Die andere bestand darin, dass er auf sie hören würde. Und dann würde sie es weder in den Alkoholladen schaffen noch irgendwo unterwegs einen Happen essen können.
Manchmal, dachte Eydís, als die
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