Josepsson, Aevar Örn
Aufzugtür hinter ihr zuging, ist es am besten, wenn man nichts sagt. Manchmal …
2
Freitag
»Hattest du ein gutes Verhältnis zu deinem Vater?«, fragte Katrín vorsichtig.
Bárður war jetzt anscheinend wieder in den früheren Zustand zurückgefallen, er saß geduckt und triefäugig auf der anderen Seite des Tisches und zog ständig die Nase hoch.
»Was ist denn das für eine Frage?«, stöhnte Bárður nach einigem Schweigen.
»Meiner Meinung nach eine ganz normale«, entgegnete Katrín achselzuckend. »Hattest du ein gutes Verhältnis zu ihm?« Wieder überraschte sie Bárðurs Reaktion, und diesmal gelang es ihr nicht, mit ihrer Verwunderung hinter dem Berg zu halten. »Was ist daran so komisch?«, fragte sie.
Er hörte auf zu lachen und fing wieder an zu schnüffeln. »Ich lebe in Dänemark«, sagte er dann, »und ich bin mehr als ein Jahr nicht in Island gewesen. Dir dürfte wohl nicht entgangen sein, dass Papa dieser Tage nicht gerade in Topform ist.« Er sah sie mit kaum verhohlener Verachtung an. »Findest du, dass sein Zustand darauf hindeutet, dass mein Vater und ich gut miteinander auskamen? Glaubst du nicht, dass ich mich dann vielleicht etwas eher mit euch in Verbindung gesetzt hätte?«
Wieder zuckte Katrín die Achseln. »Vielleicht«, sagte sie. »Ja, wahrscheinlich hast du Recht.« Es sei denn, du hättest ihn umgebracht, fügte sie im Stillen hinzu. »Aber du hattest trotzdem einen Schlüssel zu der Wohnung?«
»Ja, er hat mir vor drei oder vier Jahren einen Schlüssel gegeben. Kurz nachdem er sich bekehrt hat. Das war bei unserem ersten Treffen nach seiner Bekehrung. Aber ich habe ihn nie zuvor benutzt.«
»Weshalb?«
»Weshalb was?«
»Weshalb hast du ihn nie zuvor benutzt und weshalb hast du ihn jetzt benutzt?«
Bárður streckte seine Hand nach der Packung mit Papiertaschentüchern aus, die Katrín aus der Schublade gezogen und auf den Tisch gelegt hatte. »Bislang hatte ich keinen Anlass dazu«, sagte er, während er das feuchte Papiertuch zusammenknüllte. »Ich habe immer unten geklingelt, das macht man ja üblicherweise, wenn man Leute besucht. Vor allem bei Leuten, die man selten besucht. Ich wartete darauf, dass er mir die Eingangstür unten öffnete, oben hat er mich dann immer an der Tür in Empfang genommen und … Ja. Aber diesmal …«
Er zögerte, überlegte. Katrín versuchte, sein Schweigen zu deuten, kam aber zu keinem Ergebnis.
»Du musst eines wissen«, fuhr Bárður endlich fort, »ich habe ihn in den letzten Jahren, seitdem er diesen Jesusfimmel bekam, höchstens einmal im Jahr getroffen. Ich will nicht sagen, dass ich ständig bei ihm ein und aus gegangen bin, bevor er auf diesen Scheiß abgefahren ist, ich lebe ja auch schon seit elf Jahren im Ausland. Vor der Scheidung meiner Eltern habe ich mich immer bei ihnen einquartiert, wenn ich nach Island kam. Und in den ersten zwei oder drei Jahren nach der Scheidung habe ich immer mehrmals bei ihm vorbeigeschaut, wenn ich hier zu Besuch war. Wir haben uns dann unterhalten, und manchmal hab ich ihn zum Essen eingeladen oder so etwas. Er hat uns auch in Dänemark besucht. Aber in den letzten Jahren, wie gesagt, da …« Er geriet ins Stocken und starrte auf das zusammengeknüllte Papiertuch in seiner Hand. Katrín langte nach dem Papierkorb und schob ihn zu ihm hinüber.
»Danke«, sagte er abwesend. »Ja, wie gesagt, in den letzten Jahren … Ich bin schwul, verstehst du.«
Katrín hob die Brauen und wartete auf weitere Ausführungen zu diesem unerwarteten Statement. Sie ließen auch nicht auf sich warten.
»Mein Vater war von Anfang an alles andere als glücklich über diese Tatsache, und es war nicht einfach, ihm das beizubringen. Ich habe es meiner Mutter überlassen, das zu tun«, fügte er mit leicht beschämter Miene hinzu. »Auf jeden Fall hat er aber deswegen keinen Ärger oder Theater gemacht. Es war eher so, als würde er es einfach nicht wahrhaben wollen. Gesprochen haben wir darüber nie. Sogar nachdem Ragnar und ich – das ist mein Mann«, fügte er erklärend hinzu und sah Katrín an, die ihm aufmunternd zunickte. In solchen Situationen neigten Menschen häufig dazu, vertraulich zu werden, und als Kriminalbeamtin war sie ungewöhnlich gut für die Rolle der Zuhörerin gerüstet, denn sie hatte Psychologie studiert. Die Erfahrung hatte sie auch gelehrt, dass es sich bezahlt machte, das Gegenüber so lange wie möglich in diesem Zustand der Mitteilsamkeit zu halten. Durch die Anwesenheit der Polizei
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