Joshua Fantasio & Kalitos Legende und der schwarze Zeitmesser (German Edition)
Reiseviertel auf .“
Er kannte das alte Palette-Kino nur allzu gut. Mit Tom war er unzählige Male dort gewesen. Kein Film war ihnen jemals entgangen, und sogar in die Horror- und Gruselfilme hatten sie sich irgendwie reinschmuggeln können, auch wenn sie oftmals Toms Opa vorschicken mussten, damit er ihnen die Eintrittskarten kaufte. Manchmal konnten sie dann nächtelang nicht einschlafen.
Sie hatten fast jeden Film gesehen , sie kannten das Kino in- und auswendig, und sie wussten, dass das Kino nur drei Säle hatte… und nicht vier. Das Kino Vier gab es nicht!
Er erinnerte sich daran, dass der alte Mr. Hughes - der noch bis vor einiger Zeit im Eintrittskartenhäuschen gesessen hatte - einmal gesagt hatte, dass das Kino schon mehr als einhundert Jahre alt und eines der ersten in ganz London gewesen wäre. Aber bevor hier die allerersten Stummfilme über die Leinwand flimmerten, hatte das Gebäude als Sprech- und Musiktheater gedient, und zwar seit mehreren hundert Jahren schon, hatte er ihnen erzählt.
Und e r hatte ihm und Tom noch etwas verraten, es war ein kleines Geheimnis. Er hatte ihnen erzählt, als er den Posten im Eintrittskartenhäuschen bekommen hatte, dass ihm gesagt wurde, dass es neben den üblichen Kinokarten für die Säle eins bis drei, noch eine andere Karte geben würde: Eine goldene Eintrittskarte. Mit dieser Karte dürfe man Tag und Nacht das Kino betreten und sich alle Filme ansehen. Wo man diese goldenen Eintrittskarten kaufen konnte, wurde ihm nicht erzählt. Bei ihm im Kartenhäuschen gab es sie jedenfalls nicht zu kaufen. Und es wurde ihm auch noch erzählt, dass er sich keine Gedanken darüber machen solle, wenn einige dieser Goldkartenträger mit Reisegepäck das Kino betreten und so schnell auch nicht wieder herauskommen würden.
Als der alte Mr. Hughes den beiden Knaben das erzählt hatte, waren die beiden völlig baff gewesen; sie glaubten zeitlebens daran, dass das alte Kino eine Art Zauberkino war. Als Joshua und Tom jedoch älter wurden, begannen sie zu glauben, dass der alte Mr. Hughes ihnen doch nur ein kleines Märchen aufgetischt hatte, um ihre Kinderaugen zum Leuchten zu bringen oder damit sie ihn vielleicht öfters besuchen kämen.
Joshua betrachtete andächtig die goldene Eintrittskarte und strich sanft über das kleine schimmernde Clownsgesicht.
„ Und der gute alte Mr. Hughes hat doch Recht gehabt “, dachte Joshua. „ Es gibt sie tatsächlich, die goldene Eintrittskarte! “ Er wog das leichte Kärtchen gefühlvoll in der Hand. „ Wenn das Tom wüsste, würde er bestimmt aus allen Wolken fallen… “
Nach einiger Zeit wandte er seinen gefesselten Blick von der Karte ab und steckte sie zurück in den Brustbeutel.
Bald kletterten die ersten satten und gelblich schimmernden Sonnenstrahlen über den Horizont, und der Brookmanns Park erhob sich langsam aus seinem Schlaf.
Die Busfahrt dauerte nur noch eine kleine Weile und nach weiteren zehn Minuten hatte er sein Ziel endlich erreicht. Ratternd hielt der Bus an der Kinohaltestelle. Joshua verabschiedete sich freundlich, aber der Fahrer starrte nur schweigsam nach vorn auf die Straße und drückte den roten Knopf, um die Türen zu öffnen. Als Joshua mit beiden Beinen auf dem Boden stand, fuhr der rote Doppeldeckerbus schon wieder los und verschwand kurz darauf hinter der hügeligen Straße.
Das alte Palette-Kino stand auf einer Kirmesmeile am nördlichen Rand des Brookmanns Parks. Auf einer Länge von knapp sechshundert Metern erstreckten sich auf dieser ganzjährigen Kirmes allerlei Krämerläden, Schänken, Spelunken, Kaufhäuser und in der Mitte ragte ein riesiges Schauspielhaus empor. Jedes dritte Geschäft war allerdings verlassen und leer, denn hier am Rande des Brookmanns Parks war die Kundschaft rar geworden.
Joshua stand allein am Wegrand und schaute die menschenleeren Straßen entlang. Zu so früher Morgenstunde war hier noch nichts los, und nur ein einsamer Pappbecher flog klappernd an ihm vorbei.
Das uralte Kino machte einen völlig unscheinbaren Eindruck. Es stand gleich hinter der kleinen Haltestelle zwischen zwei hoch aufragenden Spielwarengeschäften. Ein verblichener roter Teppich mit goldenen Fransen war bis auf den Bürgersteig ausgerollt, und darüber strahlte ein weißes, schlichtes Leuchtschild, welches die aktuellen Kinofilme zeigte. Einige der schwarzen Buchstaben hingen ganz schief und drohten beim nächsten Windstoß herunterzufallen.
Joshua hob den Kopf in den Nacken und las sich
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