Judasbrut
gutes Gedächtnis. Und du auch,
nicht wahr?«
Nina
schluckte. Natürlich erinnerte sie sich daran, was an jenem Abend geschehen
war. Viel zu gut.
»Dein Mann ist nicht hier,
Nina«, wiederholte er leise. Seine heisere Stimme klang wie die des Wolfes, der
die sieben Geißlein zu betören versucht. »Niemand ist hier … niemand weiß, wo du bist.«
Er
küsste sie mit unvermuteter Leidenschaft. Zu verblüfft über diese Dreistigkeit
hielt sie zunächst still, bevor sie sich gegen seine Brust stemmte, um sich ihm
zu entziehen. Trotz ihrer Gegenwehr hielt er sie eine Weile fest, bevor er sie
freigab. Ihre Beine fühlten sich an wie Pudding. Was sollte sie tun?
Niemand
war hier. Niemand wusste, wo sie war – niemand würde sie hören, wenn sie schrie.
Was
würde er mit ihr tun, wenn sie sich wehrte? Wenn sie versuchte zu fliehen?
Und
was, wenn sie es nicht tat?
Die
Haustür war abgeschlossen. Konnte sie den richtigen Schlüssel schnell genug aus
dem Kästchen holen?
Das
Herz schlug ihr bis zum Hals.
Mit
einem Mal – als wolle er ihre Gedanken und ihre Angst Lügen strafen, berührte
er noch einmal sehr zärtlich ihre Lippen und verließ wortlos den Raum. Nina
brauchte ein paar Sekunden, bis sie reagieren konnte. Sie huschte zum Fenster.
Die Fensterbank stand voller Nippes. Wegräumen würde ewig dauern. Wenn sie das
Fenster öffnete, ohne den Kram beiseite zu stellen, wäre Georg mit Sicherheit
alarmiert. Doch das war ihr egal. Wild entschlossen drehte sie am Griff.
Er
klemmte!
Mit
einem Laut der Verzweiflung rüttelte sie daran.
»Ich
würde es lieber zu lassen.« Nina erstarrte mitten in der Bewegung. Georg stand
im Türrahmen, sein Taschenmesser in der einen Hand, in der anderen eine Flasche
Wein. »Den habe ich in der Küche gefunden. Er ist schon was älter, aber
vielleicht noch genießbar.«
Nina
rührte sich nicht. Beinahe unbeteiligt sah sie zu, wie er den Korkenzieher aus
dem Messer herausklappte, die Flasche öffnete und zwei Gläser aus dem Schrank
holte. Das Messer verschwand in seiner Hosentasche. Als er sich mit den Gläsern
in der Hand auf sie zu bewegte, kam endlich Leben in sie. Blitzschnell rannte
sie los wich ihm aus, lief um den Sessel herum und stieß dabei gegen die
Armlehne. Sie taumelte zunächst, dann stürzte sie und schlug ungebremst an der
Tischkante an. Bevor sie sich aufrappeln konnte, half Georg ihr, sich auf das
Sofa zu setzen.
Vorsichtig
untersuchte er ihre Schläfe. »Das wird blau, fürchte ich. Warte, ich hole dir
etwas zum Kühlen.« Schon war er fort und kam mit einem feuchten Handtuch aus
der Küche zurück, das er ihr an die schmerzende Stelle hielt. Zögernd nahm sie
es ihm ab.
Er
prostete ihr mit dem Wein zu. »Nicht der Beste, aber trinkbar.«
Weil
sie keine Anstalten machte, nach ihrem Glas zu greifen, schloss er ihre Finger
um das Weinglas, um es sanft zu ihrem Mund zu dirigieren. Sie trank mechanisch.
Etwas von der dunkelroten Flüssigkeit lief daneben. Zart wischte Georg mit
seinem Finger darüber, verteilte es auf ihren Lippen und leckte sie ab. Ein
sanftes Kribbeln breitete sich in ihrer Magengrube aus.
Zittrig
wischte Nina sich mit dem Handrücken über ihren Mund. »Bitte … «
»Bitte?«
Ohne ihren Blick loszulassen, nippte er am Weinglas. »Heißt das: ›Bitte mach
weiter!‹ oder ›Bitte lass mich in Ruhe!‹?«
Als
Nina schwieg, küsste er sie noch einmal. Steif wie eine Puppe ließ sie es
geschehen, bis sie sich nach kurzer Zeit dabei ertappte, wie ihre Zunge auf
sein laszives Spiel einging. Das Handtuch fiel zu Boden, als seine warme Hand
unter ihren Bademantel glitt und ihre Brust umfasste.
»Hast
du etwa Angst vor mir?« Er schob seine Finger in ihren BH.
Kaum
merklich nickte sie, obwohl sie durch seine aufreizenden Berührungen eine
merkwürdige Mischung aus Angst und Erregung erfasst hatte. Er reichte ihr noch
Wein. Nun trank sie in großen Schlucken. Der viele Alkohol benebelte sie. Alles
war so unwirklich.
»Ich
tue dir nicht weh.«
»Nein«,
flüsterte sie. »Bitte nicht. Nicht wehtun.«
Wieder
lachte er. Rau, betörend. Eine Gänsehaut überlief sie. Sie fürchtete sich vor
dem, was er vorhatte und gleichzeitig wünschte sie sich, dass er weitermachte.
Ihre Empfindungen waren ein einziges Chaos.
»Wir
tun genau das, was du willst.«
Er
streifte ihr den Bademantel von den Schultern und löste ihren BH. Ihr Atem ging
schneller, als seine Lippen der Spur seiner Fingerkuppen folgten. Sie schloss
die Augen.
Es war
wie tausend
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