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Judastöchter

Titel: Judastöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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danke, danke!«
    Wilson erwiderte behutsam die Umarmung und kam sich vor wie Judas. Der echte Judas, ganz ohne ein Vampir zu sein.
    * * *

6. Februar, Großbritannien, Nordirland,
Londonderry, 20.32 Uhr
    »Was heißt das, sie sind immun gegen Silber?« Eric lief auf der Ostseite des Bahnhofs hin und her, achtete darauf, dass er sich außerhalb der Hörweite der Polizisten befand.
    Er hatte gerade Nummer 1257 öffnen wollen, als sein Handy geklingelt hatte und er sah, dass Mütterchen Wissen anrief. Da es in dem Räumchen beschissenen Empfang gab, hatte er sich draußen besseren gesucht und gefunden.
    Eric wollte sich am Kopf kratzen, seine Finger trafen auf die verunstaltete Perücke. Nachwachsende Haare juckten. »Silber wirkt also gar nicht?«
    »So ist es«, sagte Mütterchen Wissen, die eine seiner besten Informationsquellen war. Ihre echte Identität verriet sie nie. »Spannend, oder? Ich habe zwei historische Quellen gefunden, die berichten, dass Argentum seine Wirkung verfehlte, und beide Male spielte Südamerika eine Rolle.«
    Spannend ist das nicht. Das ist beschissen.
»Und was genau sagen die Quellen?«
    »Bei der einen handelt es sich um die Niederschrift eines Mönchs, der mit Cortés auf Eroberungszug gegangen war. Er berichtet von Jaguaren, die von den Eingeborenen mit Pfeilspitzen aus Gold gejagt wurden«, referierte Mütterchen Wissen mit Begeisterung. »Der Mönch hat angenommen, dass diese Tiere den Totonaken heilig gewesen wären und die Eingeborenen ihnen auf diese Weise Ehre erbieten wollten. Bemerkenswert finde ich in dem Zusammenhang, dass die Azteken, Totonaken und die ganzen südamerikanischen Eingeborenenvölker sehr viel Goldschmuck besaßen. Ich halte das nicht für einen Zufall. Vielmehr habe ich mir die Frage gestellt, ob es der Abwehr von Wandlern dienen sollte. Gold als Symbol für die Reinheit, für die Sonne, für die Macht der Helligkeit über das Dunkle und Böse. Es geht um mehr als reine Zierde.«
    »Das klingt plausibel.« Eric ging die Liste von Bestien durch, die er bereits erledigt hatte. »Aber wie kann das sein, dass ich unzählige und mitunter echt exotische Wandler erlegt habe, obwohl sie durchaus aus dem südamerikanischen oder außereuropäischen Raum stammten? Hätten sie nicht immun gegen mein Silber sein müssen?«
    »Möglicherweise hat sich die Immunität im Laufe der Jahre ausgewachsen oder sich verändert. Evolution, Degeneration, Umwelteinflüsse, Vermischung des Erbguts, was weiß ich.« Man hörte Mütterchen Wissen an, dass sie auch keine Lösung anbieten konnte. »Das müsste noch untersucht werden, fürchte ich. Auch die zweite Quelle ist sehr alt und bezieht sich auf ein Wandelwesen, das in Peru gelebt hat und von Eingeborenen mit Steinen erlegt wurde, in denen sich Goldkörnchen befanden.« Sie schwieg.
    »Ich kann mir vorstellen, dass die nach Südamerika eingewanderten Wandler sich mit den ansässigen Bestien vermischt haben und deren Nachkommen die Silberallergie übernommen haben. Das stärkere Gen hat sich durchgesetzt.«
    »Kann sein.« Eric überlegte und fand die spontane Erklärung einleuchtend. Die Schlangenwandlerin war in ihrer menschlichen Gestalt kleiner als die Frauen, die er kannte. Möglicherweise hatte ihre Linie keinerlei Kontakt mit anderen Wandlern gehabt; und als Schlangenwandlerin war sie exotisch genug, um sich nicht mit normalen Wer-Geschöpfen zu paaren. Vermutlich funktionierte eine Befruchtung durch ein Säugetier gar nicht.
Sie ist bestimmt eine Originalbestie.
Er grinste breit.
Klingt nach einem Markenlabel.
    »An deiner Stelle würde ich mich nach Gold umschauen. Bau dir Kugeln daraus oder ein Messer und versuche es einfach«, hörte er Mütterchen Wissen sagen. »Notfalls musst du der Schlangenwandlerin den Kopf abschlagen. Das wirkt immer, auch ohne ein bestimmtes Metall.«
    »Hast du eine Ahnung! Das ist … schwer.« Eric fiel ein, dass sie ihm die Art des zweiten Wandelwesens schuldig geblieben war. »Was hat man denn mit Gold gesteinigt?«
    »Ein Krokodil.«
    Er musste laut lachen. »Ja, okay,
das
ist eine echte Kunst. Oder es waren sehr große Steine.«
    Mütterchen Wissen lachte mit. »Ich sehe es gerade als Cartoon vor mir.«
    »Dann sage ich danke. Wenn du noch was finden solltest …«
    »… rufe ich dich an.« Sie seufzte. »Schön, dass du wieder auf dem Kriegspfad bist, einsamer Wolf.«
    Eric lächelte. »Bis dann.«
Einsamer Wolf stimmt nicht ganz. Ich habe eine Begleiterin mit langen Zähnen dabei.
Er

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