Judith
begegnete ihm.
Noch ehe er ihn wütend anfahren konnte, faßte sich Alan an seinen schmerzenden Kopf und berichtete: »Judith wurde geraubt! «
Gavin packte ihn bei den Schultern. »Wenn du ihr etwas angetan hast, wirst du es büßen! « brüllte er.
Alan vergaß seinen Kopfschmerz und machte sich aus dem eisenharten Griff frei. »Ihr habt vergessen, daß Eure Gemahlin eine Feindin hat. Lilian Chatworth ist unberechenbar. Ihr hättet Judith nicht allein lassen dürfen. «
»Was redest du da? «
»Lilian Chatworth hält Euer Weib als Gefangene! «
Gavin starrte ihn fassungslos an. »Lilian… mein Weib? Ich glaube es nicht! «
Alan wandte sich ab. »Ob Ihr es glaubt oder nicht, ich will keine Zeit mehr mit Reden vergeuden. Ich werde ihr nachreiten! «
Es dauerte nur Minuten, dann hatte Gavin die Pferde satteln lassen. Er und seine Gefolgsleute holten Alan bald ein.
»Willkommen in meinen Heim«, sagte Lilian, als man Judith die Kapuze abnahm. Lächelnd beobachtete sie, wie Judith nach Luft rang. »Ihr seid einen solchen Ritt nicht gewöhnt, was? Eine Dame wie Ihr erwartet immer nur das Beste? «
»Was wollt Ihr von mir? « fragte Judith. Ihre Schultern und Arme schmerzten von den Stricken.
»Du hast etwas, das ich haben will. «
Judith hob stolz das Kinn. »Meint Ihr Gavin? «
Lilian grinste. »Ja, meinen Gavin. Er gehört mir schon lange. «
»Warum habt Ihr ihn dann nicht geheiratet, als er um Eure Hand anhielt? « fragte Judith ruhig.
Lilians Gesicht verzerrte sich und sie wollte auf Judith losgehen. Doch Judith drehte sich um und wich ihr aus. Ela packte ihre Herrin am Arm.
»Regt Euch nicht auf. Sie ist es nicht wert. «
Lilian schien sich zu entspannen. Und sie nahm es auch hin, daß Ela ihr etwas riet.
»Ruht Euch aus, damit Ihr gut ausseht, wenn Lord Gavin kommt. «
»Ja, ich will schön für ihn sein. « Lilian wich Judiths Blick aus.
Man hatte Judith an einen Stuhl gefesselt. Nachdem Lilian den Raum verlassen hatte, ließ Ela sich in einen anderen Stuhl nieder und holte ein Strickzeug heraus.
»In wessen Haus bin ich hier? « wollte Judith wissen.
Ela sah nicht auf. »Es gehört meiner Herrin. Lady Chatworth«, antwortete sie stolz.
»Warum bin ich hier? «
Ela hielt kurz in der Arbeit inne. »Meine Lady will Lord Gavin Wiedersehen. «
Judith schüttelte den Kopf. »Und das glaubst du? Du glaubst, daß diese von Haß zerfressene Frau damit zufrieden ist? «
Ela warf ihr Strickzeug fort. »Ich lasse nicht zu, daß Ihr meine Herrin so beschimpft! Ich kenne sie gut. Sie hatte ein schweres Leben. Und sie hat Gründe… « Sie brach ab und trat ans Fenster.
»Sie ist verrückt! Es hat sie um den Verstand gebracht, daß Gavin sie ablehnt! «
»Nein! « fuhr Ela auf. Dann wurde sie ruhiger. »Lord Gavin würde sie nie ablehnen. Nicht meine Lilian. Jeder Mann will sie haben. Sie ist schön. Sie war auch das schönste Kind, das ich je gesehen habe. «
»Du kennst sie von Kindheit an? «
»Ja. Ich habe nie eigene Kinder gehabt. Sie war für mich wie ein Geschenk des Himmels. «
»Und du würdest sicher alles für sie tun… «
»Ja, alles. « Ela nickte zur Bestätigung.
»Sogar mich töten, damit sie meinen Gatten bekommen kann. «
Elas Stirn runzelte sich. Ihr Blick drückte Sorge aus. »Ihr werdet nicht getötet. Meine Lady braucht nur Zeit, um Lord Gavin umzustimmen. Und Ihr laßt ihr diese Zeit nicht. Ihr habt ihn ihr fortgenommen, und Euch rührt es nicht, wie sie leidet. «
Judith spürte, wie ihr Zorn hochkochte. »Sie hat mich belogen, mich getäuscht und alles getan, um mir meinen Gatten fortzunehmen. Sie hat sogar den Tod meines Kindes auf dem Gewissen. «
»Wißt Ihr, wie sehr sie sich immer ein Kind gewünscht hat? Ein Kind von Lord Gavin? Ihr habt ihn ihr gestohlen. Da geschah es Euch nur recht, daß Ihr verloren habt, was Euch nie zustand! «
Judith wollte etwas sagen, doch sie ließ es. Diese Magd war so verrückt wie ihre Herrin. Was immer sie auch sagte, sie würde Lilian verteidigen.
»Welche Pläne habt ihr mit mir? «
Ela begann wieder zu stricken. »Ihr werdet für einige Tage unser Gast sein. Lord Gavin wird herkommen, und er wird mit meiner Herrin zusammen sein. Dann wird er erkennen, wie sehr er sie liebt. Er wird Euch vergessen, denn er hat sie schon geliebt, da kannte er Euch noch gar nicht. Das ist echte Liebe. Euch hat er nur genommen, weil Ihr reich seid. Aber nun ist meine Lady auch reich. Sie kann den Montgomerys auch eine große Mitgift bringen.
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