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Judith

Judith

Titel: Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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vorspringenden Stein in der Mauer und kehrte Gavin den Rücken zu. Sie wußte, daß er versuchte, sich zu erheben.
    »Jetzt die Bank! « rief sie nach oben. Auch dieses Unternehmen war schwierig. Die schwere Bank riß Joan fast die Arme aus. Für Judith war es nicht mehr schwer, sie aufzunehmen und neben Gavin an die Mauer zu stellen. Dann kam der Korb mit Nahrung, gefolgt von einem Krug Wein.
    Judith stellte alles auf die Bank und näherte sich dann ihrem Mann. Nun verstand sie, warum Joan gesagt hatte, daß er halb tot sei. Er war völlig entkräftet, ausgehungert. Fahle Haut spannte sich über seinen Wangenknochen.
    »Gavin«, flüsterte sie und streckte ihm die Hände entgegen. Er berührte sie zögernd, so als fürchte er, daß sie ein Schemen sein könnte, der sich gleich wieder auflösen und verschwinden würde. Als er ihre warme Haut berührte, riß er die Augen weit auf.
    »Judith! « Er sprach heiser und mühsam. Seine Stimme war vom langen Schweigen wie eingerostet.
    Judith umfaßte seine Hände und half ihm hoch, damit er sich auf die Bank setzen konnte. Sie hielt ihm den Krug an die Lippen.
    »Trink, aber ganz langsam. « Er gehorchte. Und als er getrunken hatte, wickelte sie die Schüssel aus und fütterte ihn mit kräftiger Fleischsuppe. Fleisch und Gemüse waren so weichgekocht, daß er sie schlucken konnte.
    Gavin aß nur ein paar Bissen. Dann lehnte er sich entkräftet gegen die Mauer und schloß die Augen.
    »Ich habe schon lange nichts zu essen gehabt«, sagte er schwer. »Man weiß solche Dinge wie Essen und Trinken erst zu schätzen, wenn man sie nicht mehr hat. « Er schwieg und atmete mühsam. Dann setzte er sich auf und starrte Judith an. »Warum bist du hier? «
    »Um dir etwas zu essen zu bringen. «
    »Das meinte ich nicht. Warum bist du in Demaris Gewalt? «
    »Gavin, du solltest essen und trinken, und nicht soviel reden. Ich erzähle dir erst mehr, wenn du gegessen hast. « Judith brach ihm ein Stück dunkles Brot ab und tauchte es in die Suppe.
    Gavin widmete sich wieder dem Essen. »Sind Männer da oben? « fragte er mit vollem Mund. »Ich fürchte, ich habe das Gehen verlernt. Aber wenn ich wieder esse, werde ich bald kräftiger. Man hätte nicht zulassen dürfen, daß du hier herunter kommst. «
    Judith hatte nicht damit gerechnet, daß Gavin glauben könnte, er sei frei. »Nein«, flüsterte sie und mußte gegen die Tränen ankämpfen. »Ich kann dich nicht mitnehmen. Noch nicht. «
    »Was sagst du da? «
    »Ich bin allein, Gavin. Oben wartet keiner von unseren Leuten. Du bist der Gefangene von Walter Demari und meine Mutter auch. Und jetzt auch John Bassett. «
    Er hielt im Essen inne. »Ich will alles wissen«, forderte er.
    »Von John Bassett habe ich erfahren, daß Demari dich gefangenhält. Er wollte die Burg aushungern, um euch zu retten. Mutter und dich. Aber… «
    »Du bist hier, um mich zu retten? « Seine tief in den Höhlen liegenden Augen sahen sie wütend an. »Wie wolltest du das tun? Ihnen mit dem Schwert drohen und fordern, daß sie uns freigeben? «
    Judith preßte die Lippen zusammen.
    »Dafür wird John mir büßen«, knirschte Gavin.
    Judith senkte den Kopf. »Er sagte, daß du sehr wütend sein würdest. «
    »Wütend? « fuhr Gavin auf. »Mein Besitz ist ohne Schutz, meine Bewaffneten ohne Führung, meine Frau wird als Gefangene gehalten von einem Wahnsinnigen — und da sprichst du von >wütend< sein? Ich bin außer mir! «
    Judith hob trotzig den Kopf. »Es gab keine andere Möglichkeit. Eine Belagerung hättest du nicht überlebt. «
    »Eine Belagerung nicht, das stimmt«, erklärte er hitzig. »Aber es gibt andere Wege, diese Burg einzunehmen. «
    »Aber John sagte… «
    »Er ist kein Anführer. Sein Vater war meinem Vater untertan, so wie er mir untertan ist. Er hätte nach Miles oder Raine schicken müssen. Ich werde ihn töten für seinen Leichtsinn. «
    »Nein, Gavin! Ich bin schuld. Ich habe ihm gesagt, daß ich allein hierher reiten würde. « Ihre Augen leuchteten im Kerzenlicht. Die wollene Kapuze war von ihrem Haar geglitten.
    »Ich habe ganz vergessen, wie schön du bist«, sagte Gavin sanft. »Laß uns nicht mehr streiten. Was geschehen ist, ist nicht mehr zu ändern. Erzähle mir, was da oben vorgeht. «
    Judith erstattete ihm in allen Einzelheiten Bericht.
    »Du hättest nicht herkommen dürfen, in dieses Loch«, sagte Gavin.
    »Aber ich mußte dir Essen bringen! « protestierte sie.
    Er sah sie an und seufzte schließlich. Dann lächelte er.

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