Judith
muß in all diesem Unrat liegen. Er mußte die Hände vors Gesicht halten, weil das Kerzenlicht ihn blendete. Oh, du gütiger Himmel. Was für ein Elend. « Joans Schultern zuckten.
»Bist du sicher, daß es Lord Gavin ist? «
»Ja. Der Mann hat mit einer Peitsche nach ihm geschlagen. Und da hat er haßerfüllt heraufgeblickt… «
»Hat er dich erkannt? «
»Ich glaube nicht. Zuerst habe ich das befürchtet. Doch ich glaube, daß er niemanden erkennt. Sein Geist… « Joan brach ab.
Judith sah mit weit aufgerissenen Augen vor sich hin. Joan faßte sie sanft am Arm.
»Es ist zu spät. Er wird nicht länger als ein paar Tage noch leben. Vergeßt ihn, Herrin. Er ist schon mehr tot als lebendig. «
»Er lebt. Und das reicht! « fuhr Judith sie an.
»Mehr tot als lebendig«, wiederholte Joan. »Wenn man ihn herausholt, wird ihn das Tageslicht blenden. «
Judith stand auf. »Ich muß mich ankleiden. Hilf mir. « Während des Ankleidens bekam Joan weitere Befehle. »Ich brauche Sachen aus grobem Stoff, wie die Mägde sie tragen. Und hohe Stiefel. Dazu einen Schemel, nein, eine Bank. Sie muß schmal sein, aber lang genug. Dann brauche ich einen Drahtkorb, den ich mir um den Leib binden kann. Auch er darf nicht zu groß sein. «
Joan schüttelte wild den Kopf. »Habe ich Euch nicht gesagt, daß er halbtot ist? Man kann ihn nicht retten. Und wie wollt Ihr eine Bank hinunterschaffen, ohne daß jemand etwas merkt? Was zu essen vielleicht, aber nicht… «
Joan brach ab, als Judith sie ansah. Wenn die goldenen Augen ihrer Herrin so blickten, war jede Diskussion überflüssig. »Ich werde Euch alles besorgen, was Ihr haben wollt«, versprach sie.
Walter Demari führte Judith am Morgen durch die Burg und zeigte ihr alles. Mit finsterer Miene folgte Sir Arthur dem Paar.
»Was für mächtige Mauern«, meinte Judith, als sie den Festungswall sah. Ihr Blick ging zu den Männern hin, die auf der Mauer standen oder saßen. Sie wirkten schläfrig. Und es waren nicht viele.
»Vielleicht will die Lady jetzt auch noch die Waffen besichtigen«, schlug Sir Arthur ironisch vor. Ihm war ihr prüfender Blick nicht entgangen.
Judith konnte sich bezwingen. »Ich verstehe nicht, warum mich das interessieren sollte. «
»Ich auch nicht. Was soll das, Arthur? « fuhr Walter auf.
Judith sah den eiskalten Blick des Mannes und wußte, daß sie in Sir Arthur einen gefährlichen Feind hatte. Lächelnd wandte sie sich an Walter Demari. »Mich hat der weite Ritt gestern sehr angestrengt. Ich würde mich jetzt gern etwas ausruhen. «
»Gewiß, meine Holde. «
Judith konnte seine Hand auf ihrem Arm nicht länger ertragen, auch nicht seine verzehrenden Blicke. Mit einem anmutigen Nicken verabschiedete sie sich an ihrer Kammertür von ihm.
Judith legte sich angekleidet auf ihr Bett. Und wieder beschäftigten sich ihre Gedanken mit dem Mann, den man unter dem Turm gefangen hielt.
Sie hörte, daß sich die Tür öffnete, kümmerte sich aber nicht darum. Die Mägde kamen und gingen. Als jedoch plötzlich eine Männerhand ihren Arm berührte, fuhr Judith auf.
Walter Demari stand neben ihrem Bett und grinste sie an. Judith blickte sich ängstlich um.
»Hab doch keine Angst«, sagte er sanft. »Wir sind allein. Dafür habe ich gesorgt. Die Leute wissen, daß sie bestraft werden, wenn sie meine Wünsche mißachten. «
Judith konnte ihn nur stumm ansehen.
»Hast du Angst vor mir? « Seine Augen glitzerten. »Weißt du nicht, daß ich dich liebe? Gleich vom ersten Augenblick an, als ich dich sah. Ich habe dich beobachtet, als du zur Kirche geritten bist. « Er nahm eine Locke ihres Haares. »Weißt du, wie du ausgesehen hast? Wie eine goldene Königin. «
Demari preßte die weiche Locke an seine Wange. »Damals schon wußte ich, daß du mir bestimmt bist. Trotzdem hast du einen anderen genommen! « Vorwurf lag in seinem Blick.
Judith dachte an Joans Rat. Sie würde nichts für ihre Mutter und Gavin tun können, wenn Demari erreichte, was er wollte. Sie schluchzte auf und barg das Gesicht in den Händen.
Demari war sofort abgelenkt. »Meine süße Judith. Verzeih… «
Sie tat so, als wollte sie sich gewaltsam beherrschen. »Ich muß um Verzeihung bitten. Aber ich habe von einem Mann noch nie solche Freundlichkeit erfahren wie von dir. Nicht von meinem Vater und auch nicht von meinen Brüdern. Und dann mein Gemahl… «
Walter starrte sie an. »Ist es wirklich wahr, daß du ihn haßt? « Er sah einen solchen Zorn in ihren Augen blitzen, daß
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