Judith
warum du ihn nicht ins Jenseits beförderst. Dann kann ich sie sofort zu meiner Frau machen. «
»Und du hättest den König auf dem Hals. Sie ist eine reiche Frau. Nur ihr Vater hatte das Recht, sie einem Mann zu geben. Nun, da er tot ist, kann es nur noch der König tun. In dem Moment, wo ihr Gemahl tot ist, ist sie sein Schützling, und ihre Besitztümer fallen unter seine Verwaltung. Bildest du dir wirklich ein, daß der König dir eine reiche Witwe zur Frau gibt, deren Mann du zu Tode gequält hast? Und wenn du sie ohne seine Erlaubnis zur Frau nimmst, wird er mehr als wütend sein. Nur wenn sie vor dem König fordert, daß ihre Ehe annulliert werden soll, weil sie dich zum Mann haben will, wirst du erreichen, was du willst. König Henry liebt die Königin, und romantische Sentimentalitäten gefallen ihm. «
»Ich werde sie dazu bringen, daß sie sich in mich verliebt«, meinte Walter. »Und sie betet mich schon an, das lese ich in ihren Augen. «
»Ich sage es dir noch einmal: Du bist ein absoluter Narr. Du siehst es nur, weil du es sehen willst. Ich glaube eher, daß sie nur Fluchtpläne in ihrem hübschen Köpfchen bewegt. «
»Sie will vor mir fliehen? « Walter riß die Augen auf. »Ich halte sie doch nicht gefangen. Sie ist frei und kann tun, was sie will. «
Arthur betrachtete ihn angewidert. Wenn man nicht auf der Hut war, würde diese goldäugige Hexe alle seine Pläne zunichte machen.
»Und du glaubst, daß sie ihren Mann nicht leiden kann? « vergewisserte er sich. »Hast du dafür Beweise? «
»Sie spricht nie von ihm. «
»Vielleicht, weil sie so verzweifelt ist, ihn verloren zu haben? «
Arthur grinste hämisch. »Man sollte ihre Gefühle für diesen Gavin Montgomery vielleicht einmal auf die Probe stellen? «
Walter zögerte.
»Na, bist du dir ihrer doch nicht so sicher? «
»Doch, doch. Was hast du vor? «
»Wir werden ihren lieben Gemahl aus seinem Loch holen und ihr vorführen. Dann sehen wir ihre Reaktion. Entweder bricht sie bei seinem Anblick in Tränen aus, oder es gefällt ihr, daß man ihn quält. «
»Es wird ihr gefallen. « Walter war sich ganz sicher.
»Hoffen wir, daß du recht hast. Ich bin anderer Meinung als du. «
Das Gemach, daß man Lady Helen gegeben hatte, war größer, heller und sauberer. Es war jedoch nur karg möbliert. Ein großes Bett mit Baldachin stand in einer Ecke. In der anderen war ein Strohlager.
John Bassett und Lady Helen saßen an einem niedrigen Tisch vor einem Schachbrett. Ihre Köpfe waren so tief gebeugt, daß sie sich fast berührten.
»Ihr habt wieder gewonnen… «, stellte John überrascht fest.
Lady Helen lächelte. »Ihr scheint Euch zu freuen. «
»Ja, das tue ich. « John sah sie an. In den letzten Tagen war eine Veränderung mit ihr vorgegangen. Sie hatte an Gewicht gewonnen, und ihre Wangen hatten ihre Blässe verloren. Sie wirkte nicht mehr so ängstlich und gehetzt.
»Noch ein Spiel? « fragte sie.
»Nein, ich muß mich eine Weile ausruhen. «
»Es ist schon spät«, meinte sie. Doch sie hatte noch keine Lust, sich zu Bett zu begeben. Sie fühlte sich in John Bassetts Gesellschaft sehr wohl.
»Würdet Ihr mit mir noch ein wenig zusammensitzen? « fragte er und erhob sich, um die Kohlen in dem Messingbehälter aufzustochern. Der kleine Ofen gab das einzige Licht im Raum und etwas Wärme.
»Ihr werdet jeden Tag jünger«, stellte John fest, als er sie zu dem Stuhl vor dem Kohlefeuer getragen hatte.
Helen liebte diese Geborgenheit, die ihr seine Arme vermittelten. Ihr Knöchel war längst soweit geheilt, daß sie allein hätte gehen können. Doch John wollte nichts davon wissen. Oft fragte sich Helen, ob auch er diese Zweisamkeit so genoß wie sie.
John richtete sich gerade wieder auf, nachdem er Helen in den Stuhl gesetzt hatte, als plötzlich die Tür aufflog und Judith hereingestürmt kam.
»Mutter! « Sie lief in Helens offene Arme.
»Ich habe mir schon große Sorgen um dich gemacht«, sagte Lady Helen. »Wo bist du all die Zeit gewesen? Hat man dir auch nichts angetan? «
»Gibt es Neuigkeiten? « wollte John wissen.
Judith machte sich von ihrer Mutter frei. »Nein, mir ist nichts passiert. Ich konnte nicht zu euch kommen, weil mich Walter Demari den ganzen Tag nicht aus den Fängen gelassen hat. Er hat einfach nicht hingehört, wenn ich darum gebeten habe, euch besuchen zu dürfen. «
Judith sank auf einen Schemel, den John ihr hinstellte. »Und dann noch eine Neuigkeit. Ich habe Gavin gesehen. « Ihre Stimme
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