Judith
laß mich noch eine Weile hier bleiben. «
Raine sah sich um. Der Platz schien sicher und ungefährlich. »Bleib aber nicht bis zum Sonnenuntergang«, riet er. »Wenn du bis dahin nicht im Lager bist, werde ich dich holen. «
Trübe Gedanken fielen wieder über Judith her, als sie allein war.
Gavin glaubte, was Walter Demari behauptet hatte! Er war sicher, daß sie das Kind seines Feindes unter dem Herzen trug. Unwillkürlich tastete Judith über ihren Leib.
Es war ihr Kind! Was immer auch geschehen würde, dieses Kind gehörte ihr!
»Was hast du nun mit ihr vor? « fragte Raine, als er sich in Gavins Zelt in einen Stuhl fallen ließ. Stephen hockte auf einem Schemel und bearbeitete sein Schwert mit einem Schleifstein.
Gavin saß am Tisch und aß. Das tat er, seit er wieder im Lager war, oft. »Redest du von meinem Weib? « fragte er zwischen zwei Bissen. »Du scheinst dich ja sehr um sie zu sorgen. «
»Und du scheinst sie zu ignorieren«, fuhr Raine ihn an. »Sie hat für dich einen Mann getötet. Und du redest nicht einmal mit ihr darüber. Weißt du, wie ihr zumute ist? «
»Weil sie den Mann umgebracht hat, der sie schwach gemacht hat? « fauchte Gavin.
»Soll ich euch die Schwerter bringen, oder kämpft ihr in voller Rüstung? « fragte Stephen spöttisch.
Raine zwang sich zur Ruhe. »Hast recht, Bruder. Ich wollte Gavin nur zur Vernunft bringen, weil er sie so unmöglich behandelt. «
Gavin schob seinen Teller zurück und stand auf. Er begann eine unruhige Wanderung durch das Zelt. Plötzlich stieß er hervor: »Sie bekommt ein Kind von diesem Mann! «
»Von Demari? « Stephen hielt in seiner Arbeit inne und pfiff vor sich hin. »Was willst du mit ihr machen? «
Gavin sank wieder in seinen Stuhl. »Ich weiß es nicht. Raine wirft mir vor, sie mit Mißachtung zu strafen. Aber was soll ich tun? Sie hat ihren Liebhaber getötet. «
»Hat dieser Demari sie bedroht oder gezwungen? «
Gavin ließ den Kopf hängen. »Das glaube ich nicht. Sie konnte sich in der Burg frei bewegen. Sie kam sogar zu mir in mein Gefängnis. Wenn sie dies heimlich getan hätte… ihr könnt euch vorstellen, wie gefährlich das gewesen wäre. «
»Stimmt. Aber meinst du nicht, daß sie nur hergekommen ist, um dir zu helfen? «
Gavins Augen blitzten. »Ich weiß nicht, was ihre Gründe waren. Sie hat sich mal auf die eine, mal auf die andere Seite geschlagen. Als sie zu mir kam, hat sie mir gesagt, daß sie alles für meine Rettung tun will. Aber wenn Demari bei ihr war, war sie ganz die Seine. Eine raffinierte Frau, was? «
Stephen prüfte die Schneide seines Schwertes. »Raine scheint sehr viel von ihr zu halten. Auch Miles. «
Gavin schnaubte ärgerlich. »Miles ist zu jung, um zu wissen, daß Frauen nicht nur einen Körper haben. Und Raine — er himmelt sie schon lange an. «
»Du kannst erklären, daß sie nicht dein Kind erwartet und dich von ihr trennen. «
»Nein! « entfuhr es Gavin.
Stephen lachte. »Du bist also noch immer verrückt nach ihr. Sie ist ungewöhnlich schön, zugegeben. Aber es gibt noch andere. Was ist mit Lilian, der du ewige Liebe geschworen hast? «
Stephen war der einzige, der Gavin immer unterstützt hatte, wenn es um Lilian ging.
»Sie hat vor kurzem Edmund Chatworth geheiratet. «
»Diesen ekligen Kerl? Hast du ihr denn nie die Ehe ange boten? «
Gavins Schweigen war Antwort genug.
Stephen steckte sein Schwert in die Scheide zurück. »Die Weiber sind es nicht wert, daß man einen einzigen Gedanken an sie verschwendet. Nimm dein Eheweib ins Bett und beschäftige sie so, daß sie nicht auf dumme Ideen kommt. «
Damit war für ihn das Thema beendet. Er stand auf und ging zum Ausgang. »Ich werde mich jetzt hinlegen. Es war ein langer Tag. «
Gavin saß reglos da und starrte vor sich hin. Ich kann mich von ihr trennen, dachte er. Aber er konnte sich einfach nicht vorstellen, Judith nie mehr zu sehen, sie nie mehr in seinen Armen zu halten.
Raine hatte ihn beobachtet und unterbrach nun seine Grübeleien. »Ist Judith schon zurück? Ich habe ihr geraten, nicht zu lange im Wald zu bleiben. «
Gavin war mit einem Ruck hoch. »Du verschwendest zu viele Gedanken an mein Weib. Sag mir, wo ich sie finden kann! «
Judith kniete am Bachufer und hielt die Hände in das kühle Wasser. Da riß eine Stimme sie aus ihrer Versunkenheit.
»Du mußt ins Lager zurück! «
Erschreckt fuhr sie zusammen und drehte sich um. Gavin stand wie ein Fels vor ihr. Seine grauen Augen wirkten in der
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