Judith
hatte, die Frau war ohne Zweifel die Königin. Stolz und selbstbewußt. Sie lächelte Judith freundlich an, als sie in einen Hofknicks versank. »Euer Majestät… «
Elizabeth reichte ihr die Hand. »Countess, es freut mich, daß Ihr für eine Weile bei uns weilen werdet. « Sie neigte leicht den Kopf. »Habe ich etwas Falsches gesagt? «
Judith lächelte. »Nein, nein. Ich bin nur noch nie als Countess angesprochen worden. Es ist noch nicht lange her, daß mein Vater starb… «
»Ein tragischer Tod. Und der Mann, der daran schuld ist… «
»Ist tot«, murmelte Judith und erschauerte bei der Erinnerung daran, wie das Schwert in Walter Demaris Rücken eingedrungen war.
»Ihr müßt müde nach der Reise sein. « Elizabeth lächelte wieder. »Ihr habt vielleicht Lust, auf ein Glas Wein in mein Gemach zu kommen? «
»Gern, Euer Majestät! «
Sie folgte der Königin, die gemessenen Schrittes die Halle verließ.
24. Kapitel
Lilian saß vor ihrem Spiegel. Überall im Raum waren Kleider in den prächtigsten Farben verstreut. Und jedes Gewand war nur zu dem einen Zweck angefertigt worden: Lilian wollte Aufsehen erregen.
Sie hatte neidvoll Judith Revedounes Gewänder gesehen, die diese auf dem Hochzeitsfest getragen hatte. Nun wollte sie Gavins Interesse auf sich lenken.
Und heute würde sie Gavin Wiedersehen! Nur für ihn kleidete sie sich so sorgfältig an.
Das rote Samtkleid, das sie über einer rosa Tunika trug, war mit großen Blüten bestickt. Es stand ihr gut, wie Lilian zufrieden im Spiegel feststellte.
Sie brauchte Gavins anbetende Liebe nach der schrecklichen Zeit an Edmund Chatworth’ Seite.
»Sieh dir den Stirnschmuck an! « befahl Lilian ihrer Magd Ela. »Passen die blauen Steine zu meinen Augen? Was hast du dir dabei gedacht? « Wütend riß sie den Schmuck herunter. »Dieser Esel von einem Goldschmied. Wie konnte er solche Steine nehmen? «
Ela nahm ihrer Herrin das Stirnband ab. »Er arbeitet für die Königin — zur vollsten Zufriedenheit«, wagte sie einzuwenden. »Und er hat gesagt, daß es das schönste Stirnband ist, das er je angefertigt hat. «
Ela wußte, wie sie ihre Herrin besänftigen konnte. Deshalb fügte sie unterwürfig hinzu: »Kein Edelstein der Welt kann es mit der Farbe Eurer Augen aufnehmen. «
Lilian fühlte sich geschmeichelt. »Meinst du wirklich? «
»Gewiß«, versicherte Ela. »Keine kann es mit Eurer Schönheit aufnehmen. «
»Auch diese Revedoune nicht? « Lilian weigerte sich, Judith den Namen zu geben, den sie jetzt trug.
»Gewiß«, murmelte Ela. »Herrin — Ihr habt doch nichts vor, was den Ärger der Kirche auf sich ziehen könnte? «
»Was sollte ich ihr antun? Gavin hat schon zu mir gehört, bevor er sie geheiratet hat. Und ich werde ihn wieder für mich gewinnen. «
Ela wußte aus Erfahrung, daß es unsinnig war, ihrer Herrin zu widersprechen, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Trotzdem wagte sie es zu erwähnen: »Vergeßt nicht, daß Ihr noch um Euren Gatten trauert. Und sie um ihren Vater. «
Lilian lachte. »Ihr Vater war noch ekelhafter als mein geliebter Gemahl. «
»Sprecht nicht so über Tote. «
»Rede nicht solchen Unsinn. « Lilian strich ihr Kleid glatt. »Meinst du, daß er mich sofort sieht? « fragte sie erregt.
»Wer könnte Euch schon übersehen? « erwiderte Ela.
Judith stand neben ihrem Gatten. Sie war wie erschlagen von all dem Prunk der Gäste. Gavin schien von allen respektiert und geachtet zu werden. Sie sah es voller Stolz. Er verhielt sich ihr gegenüber wie ein Kavalier, und da er wußte, daß sie Menschenmengen nicht gewöhnt war, hielt er sich an ihrer Seite. Lange Tafeln waren für das Abendessen gedeckt. Die Musikanten stimmten bereits ihre Instrumente, um die Gäste bei Tisch zu unterhalten.
»Gefällt es dir? « fragte Gavin und sah auf Judith nieder.
»Ja. Aber es ist so laut und solcher Trubel. «
Gavin lachte. »Das wird noch schlimmer. Du mußt mir sagen, wenn du müde wirst. Dann gehen wir. «
»Macht es dir nichts aus, daß ich mich so an dich klammere? «
»Im Gegenteil. Es würde mich ärgerlich machen, wenn du es nicht tätest. Ich sehe doch, wie die Herren dich mit Blicken fast verschlingen. «
»Wirklich« fragte Judith verlegen. »Das habe ich noch nicht bemerkt. «
»Die Moral hier am Hofe ist nicht groß. Hier herrschen lockere Sitten. Und ich möchte nicht, daß meine unschuldige kleine Frau in die Fänge eines Verführers gerät. Halte dich an mich oder Stephen. Laß uns zu ihm
Weitere Kostenlose Bücher