Julia Arztroman Band 62
McKenzies schwaches Immunsystem. Eine leichte Erkrankung, die ein normales Kleinkind innerhalb weniger Tage überstanden hatte, konnte bei McKenzie sehr schnell dazu führen, dass sie im Krankenhaus am Tropf landete.
Paige wusste, dass viele Leute sie für einen Kontrollfreak hielten, aber das störte sie nicht.
„Ich komme!“ Rasch wusch sie sich die Hände in der Küchenspüle. Vermutlich handelte es sich nur um irgendeinen Vertreter. In Anbetracht der morgigen Operation stand ihr wirklich nicht der Sinn danach.
Sie riss die Tür auf, um ihn – wer immer es war – so schnell wie möglich wieder loszuwerden.
Doch vor ihrer Haustür stand Valentino Lombardi, der sie anlächelte, seine Grübchen in voller Aktion. Er trug verwaschene Jeans, ein weißes T-Shirt und ein umwerfendes Aftershave. Sein noch feuchtes Haar kräuselte sich im Nacken, als wäre er erst vor Kurzem aus der Dusche gekommen.
Paige fühlte sich im Vergleich dazu furchtbar schäbig in ihrer ausgebeulten Jogginghose und dem alten, weiten T-Shirt, das ihr fast von den Schultern fiel und mit Farbe beschmiert war.
Valentino hob belustigt die Brauen. Der Fleck getrockneter roter Farbe auf ihrer Wange gefiel ihm. „Du hast jemand anderes erwartet?“
Allerdings. Misstrauisch sah Paige ihn an. „Woher weißt du, wo ich wohne?“
Er lachte. „Von Alessandro und Nat.“ Da sie unwillig die Lippen aufeinanderpresste, setzte er hinzu: „Sei nicht böse auf die beiden. Ich hab ihnen gesagt, dass ich McKenzie vor der Operation morgen gerne kennenlernen würde.“
In diesem Augenblick erschien die Kleine auch schon. Sie umklammerte Paiges Bein mit ihren farbverschmierten Fingern und schaute schüchtern zu dem großen unbekannten Mann auf. Automatisch legte Paige schützend die Hand auf McKenzies Kopf.
„Ah.“ Lächelnd hockte Valentino sich hin, damit er auf Augenhöhe mit dem kleinen Mädchen war. Wie er ihrer Patientenakte entnommen hatte, war sie klein und zierlich, hatte aber einen wachen, intelligenten Blick. „Da ist sie ja.“ Beim Sprechen benutzte er gleichzeitig die Gebärdensprache. „Hallo.“
McKenzies blaue Augen, die denen ihrer Mutter so ähnelten, wurden groß, und scheu erwiderte sie den Gruß ebenfalls in der Gebärdensprache.
„Ich bin Valentino.“
Mit ihren kleinen Fingerchen buchstabierte McKenzie ihren Namen, und wie jedes Mal tat es Paige in der Seele weh. Wenn sie gewusst hätte, dass ihre Tochter taub sein würde, hätte sie einen kürzeren Namen gewählt.
„Hallo, McKenzie“, meinte Valentino. „Schön, dich kennenzulernen. Du hast Farbe auf der Nase.“
Erstaunt beobachtete Paige, dass ihr schüchternes kleines Mädchen sogar lächelte, als Valentino den Farbfleck vorsichtig mit seinem Finger abwischte. Sie reagierte genauso auf ihn wie alle Frauen. Dabei war sie erst drei Jahre alt.
Musste er denn jedes weibliche Wesen mit seinem Charme becircen?
Paige legte ihrer Tochter die Hand auf die Schulter. „Machst du gewöhnlich Hausbesuche?“
Valentino lächelte McKenzie noch einmal zu, bevor er sich wieder zu seiner vollen Größe aufrichtete. Paige wirkte verärgert. Aber das war ja nichts Neues.
„Nein.“
„Warum bist du dann hier? Du hättest sie auch morgen früh auf der Station sehen können.“
Er war hier, weil Harry ihn gebeten hatte, mit Paige zu sprechen. Valentino hatte sich dazu bereit erklärt, obwohl er wusste, dass sie ihm gefährlich werden könnte. Seine letzte Begegnung mit Paige, ihr Stolz und die Tränen in ihren Augen, hatten ihn fasziniert. Eigentlich sollte er besser Abstand zu ihr halten, denn er ließ sich niemals auf eine engere Beziehung ein. Aber das ganze Wochenende war sie ihm nicht aus dem Kopf gegangen.
„Ich wollte mich vergewissern, dass es dir gut geht.“ Er hielt eine Flasche Wein und eine braune Papiertüte hoch, die er vorher abgestellt hatte. „Ich habe auch eine Friedensgabe mitgebracht.“
Paige versteifte sich. Glaubte der Kerl wirklich, sie könnte sich zusammen mit ihm bei einem Glas Wein entspannen? „Das wäre nicht nötig gewesen. Ich bin okay.“
Wieder hockte er sich vor McKenzie hin. „Was meinst du, McKenzie?“, sagte er und formte die entsprechenden Zeichen. „Darf ich reinkommen?“
McKenzie lächelte ihn an, nickte und streckte ihre bunt bekleckste Hand aus. Er nahm sie und richtete sich wieder auf, während er Paige mit hochgezogenen Brauen ansah.
Böse funkelte sie ihn an. „Das war unfair.“
Mit einem Lächeln machte er einen
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