Julia Bestseller Band 144
später hinauf.“ Er bedeutete ihr aufgeregt, ihm zu folgen. „Wir haben Besuch.“ Er schüttelte lachend den Kopf. „Du errätst nie, wer es ist!“
Wer immer es sein mochte, er hatte offensichtlich die Lebensgeister ihres Vaters geweckt. War ihre jüngere Schwester Kate vielleicht aus London herübergeflogen? Beth ließ ihr Gepäck zu Boden fallen und eilte freudig ins Wohnzimmer. Auch sie konnte etwas Aufheiterung brauchen. Wenn es Kate war …
Ihr Vater trat einen Schritt zur Seite und machte eine weit ausholende Geste, wie ein großer Zauberer vor einem atemberaubenden Zaubertrick. Lachend betrat Beth das Wohnzimmer und sah sich freudig um …
Jim Neilson.
Ihr Herz setzte für einen Schlag aus. Ihre Füße verharrten wie angewurzelt. Mit großen Augen blickte sie den Besucher an, spürte, wie sie kreideweiß im Gesicht wurde und ihre Beine ihr den Dienst versagten. Ihr Vater sagte irgendetwas, aber seine Worte drangen nicht bis in ihr Bewusstsein vor. Ihr einziger Gedanke war, dass Jim Neilson dort neben dem Tisch im Wohnzimmer ihres Zuhauses stand, zu greifbar, als dass er ein Traum hätte sein können.
Ihr Vater legte einen Arm um ihre Schultern, drückte sie überschwänglich und rettete sie damit vermutlich vor einer Ohnmacht. Beth atmete tief ein und riss sich zusammen. Dann zwang sie sich, zuzuhören, was ihr Vater sagte.
„Es kommt nicht oft vor, dass Beth sprachlos ist“, meinte ihr Vater gut gelaunt. „Aber kein Wunder, wenn du uns aus heiterem Himmel nach all den Jahren besuchst. Du musst sie entschuldigen, Jim.“
Jim. Die beiden schienen sich bestens zu verstehen. Darüber hinaus schien ihr Vater keine Ahnung zu haben, dass Jim sie gestern und vorgestern in Sydney gesehen hatte.
Jim schien auch nicht die Absicht zu haben, dies aufzuklären. Er trat vor, streckte ihr mit einem gewinnenden Lächeln beide Hände entgegen und betrachtete sie mit strahlenden Augen. Der Wolf im Schafspelz. Sogar seine Kleidung passte zu diesem Bild: eine elegante blaue Hose, ein modischer Fair-Isle-Pullover in Blau, Dunkelrot und Grün, darunter ein weißes Hemd. Sehr konventionell und vertrauenerweckend.
„Beth.“ Wie viel Gefühl legte er in dieses eine Wort! „Du bist eine so schöne Frau geworden, dass es mir die Sprache verschlägt.“
Wohl kaum, denn diese charmanten Worte kamen ihm mühelos über die Lippen! Beth warf ihm einen vernichtenden Blick zu, aber er kam unbeeindruckt weiter auf sie zu.
Ihr Vater lachte, hocherfreut über die Wirkung, die sie offenbar auf ihren Jugendfreund gemacht hatte. Und Jim Neilson besaß tatsächlich die unerhörte Frechheit, ihre Hände zu ergreifen und zart mit den Daumen ihre Handflächen zu streicheln, sodass sie sich sehr zusammennehmen musste, um nicht zurückzuzucken.
„Dein Vater hat mir alles über dich erzählt“, sagte Jim in bewunderndem Ton, wobei er ihr tief in die Augen blickte. „Wie du nach dem Tod deiner Mutter bei deinen jüngeren Geschwistern die Mutterstelle vertreten und das großartig gemeistert hast, wie schwer es für dich war, nebenbei am Abendcollege dein Examen zu machen, und wie viel Erfolg du jetzt mit deinen Kinderbüchern hast. Du bist wirklich eine erstaunliche Frau, Beth.“
Beth hatte endlich die Sprache wiedergefunden. „Oh, ich glaube, ich darf behaupten, dass du noch erstaunlicher bist.“
Dabei funkelten ihre Augen vor Wut, weil er ihren Vater hinter ihrem Rücken ausgefragt hatte. Sie zog ihre Hände zurück und überlegte fieberhaft, wie sie ihm mit möglichst unmissverständlichen Worten den Boden entziehen und ihm klarmachen könnte, für wie gewissenlos sie ihn hielt.
„Du weißt ja noch nicht einmal die Hälfte, Beth“, mischte sich ihr Vater aufgeregt ein. „Jim hörte, dass unsere alte Farm zu Versteigerung stand, ging hin und kaufte sie. Er sagt, sie sei schändlich verwahrlost, und er will mich als Partner, um sie wieder in Schuss zu bringen. Na, was sagst du dazu?“
Schlagartig war ihre Absicht, Jim Neilsons Farce zu zerschlagen, zunichte gemacht. Beth brauchte einen Moment, um das Gehörte zu verarbeiten und Ordnung in ihr Gedankenchaos zu bringen.
Sicherlich wäre es nicht gut, die Freude ihres Vaters zu zerstören, ohne vorher in Erfahrung zu bringen, was genau in ihrer Abwesenheit besprochen worden war. Hier waren nicht nur ihre Interessen im Spiel, und es lag nicht in ihrem Wesen, ohne triftigen Grund den Traum eines anderen Menschen zu zerstören, schon gar nicht, wenn dieser Mensch ihr so
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