JULIA COLLECTION Band 11
als sie auf die Veranda traten. Ein Motorrad stand neben den Stufen, und der schwarz gekleidete Fahrer stieg gerade vom Sattel. Noch bevor er sich den Sturzhelm abnahm, erkannte Valerie ihren Bruder.
„Gütiger Himmel!“, rief Delores.
Dillon strich sich durch die lockigen sandfarbenen Haare und bemerkte sarkastisch: „Es freut mich auch, euch zu sehen.“ „Wo hast du das Motorrad her?“, wollte Valerie wissen. „Was ist mit deinem Auto?“, fügte Delores hinzu. „Ich habe getauscht.“ Valerie musterte das große, glänzende Fahrzeug. „Du willst doch wohl nicht behaupten, dass du für die alte Schrottkiste diese nagelneue Maschine gekriegt hast?“
„Natürlich nicht.“
„Und woher hast du die Differenz?“, wollte Delores wissen.
„Ich habe mir natürlich ein Darlehen genommen.“
Argwöhnisch entgegnete Valerie: „Bisher konntest du nicht mal ein Päckchen Kaugummi auf Kredit kaufen.“
Er grinste. „Jetzt kann ich.“
„Wer hat dir von dem Geld erzählt?“
Er lachte. „Alle Leute, die ich kenne, haben mich deswegen angerufen. Das hast du gut gemacht, Schwesterherz.“
Zorn stieg in ihr auf über die Unterstellung, dass sie sich Edwins Erbe erschlichen haben könnte. „Ich bezahle dieses Ding nicht.“
„So viel hat es gar nicht gekostet. Ich muss nur fünfundzwanzigtausend zuzahlen. Das sind doch jetzt Peanuts für dich.“
„Ich meine es sehr ernst. Bring es lieber sofort zurück, denn ich zahle keinen Penny dafür.“
„Das ist ja mal wieder typisch!“, schrie Dillon. „Es geht immer nur um dich!“
„Dillon, das ist unfair“, schalt Delores.
„Das ist es nicht. Sie hat immer den Daumen auf den Geldbeutel gehalten und entschieden, wer was kriegt.“
„Vielleicht weil ich immer das Geld verdient habe, das deinen Geldbeutel gefüllt hat“, konterte Valerie heftig.
„Und das lässt du mich nie vergessen. Seit Dad tot ist, reitest du ständig darauf herum, was du alles für mich tust.“
„Das ist nicht wahr“, wandte Delores ein.
Dillon ignorierte den Einwand. „Es ist dir nicht genug, dass du zu seinen Lebzeiten all die Aufmerksamkeit gekriegt hast. Du musstest nach seinem Tod auch noch seinen Platz einnehmen und mir ständig vorhalten, dass ich ein Nichts bin!“
Entsetzt wich Valerie zurück. Es verschlug ihr den Atem wie ein Hieb in den Solarplexus. Bevor sie wieder Luft holen konnte, sprang Dillon auf das Motorrad und brauste davon.
„Er hat es nicht so gemeint“, sagte Delores händeringend, aber sie wussten beide, dass es ihm sehr wohl ernst war. „Irgendwie hat er sich in den Kopf gesetzt, dass du Daddys Liebling warst. Ich habe immer wieder versucht, ihm das auszureden, aber er wollte nicht auf mich hören.“
Seufzend schloss Valerie die Augen. Sie war tatsächlich Daddys Liebling gewesen, Daddys Prinzessin. Plötzlich wurde sie zornig auf ihren Vater, weil er sie bevorzugt hatte, und weil er sich für unverletzlich gehalten hatte und ständig törichte Risiken eingegangen war, was letztendlich zu dem Autounfall geführt hatte, der ihn das Leben gekostet hatte. Er hatte seinen Sohn verschmäht, weil Dillon ein stilles, empfindsames Kind war, das mehr nach seiner Mutter schlug.
Im Laufe der Jahre hatte Dillon alles getan, um seinem leichtsinnigen, wilden Vater nachzueifern. Wie weit würde er nun gehen?
„Ich finde ihn“, versprach sie ihrer Mutter in hölzernem Ton. „Ich bringe ihn unversehrt nach Hause.“
Delores nickte, so als glaubte sie tatsächlich, dass Valerie es bewerkstelligen könnte.
8. KAPITEL
Valerie blickte zur Uhr. Es war halb zwölf. Sie hatte überall vergeblich nach ihrem Bruder gesucht, bei seinen Freunden und in seinen Stammlokalen. Dann war sie ziellos herumgefahren in der Hoffnung, ihn irgendwo zu sehen. Schließlich hatte sie aufgegeben, war zu ihrem Elternhaus zurückkehrt und hatte ihre Mutter überredet, schlafen zu gehen. Nun saß sie auf den Verandastufen und hielt Wache.
Die Schönheit der Nacht war an sie verschwendet. Sie konnte nur an Dillon denken und fürchtete, dass er einen Unfall gebaut hatte und irgendwo verletzt im Straßengraben lag. Verzweifelt verschränkte sie die Arme auf den angezogenen Knien und senkte den Kopf darauf.
Eine Weile später berührte etwas Kaltes ihre Hand. Sie zuckte hoch und wurde von einem freundlichen Bellen begrüßt. „Was tust du denn hier?“, fragte sie verwundert und kraulte den Hund zwischen den Ohren, während sie an ihm vorbeiblickte.
Ian stand einige Schritte
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