JULIA COLLECTION Band 16
und stellte sie auf ihren Schreibtisch. Ihre Finger spielten einen Moment unentschlossen mit der Schleife, während sie überlegte, ob sie sie öffnen sollte oder nicht. Das Band fühlte sich kühl und glatt an, und das goldene Siegel darunter machte Reklame für „Duftnoten“, einen exklusiven Blumen- und Geschenkladen am Stadtrand.
„Na schön“, sagte sie leise und starrte die Schachtel feindselig an, als wäre sie ein lebendiges Ding, das Emma beleidigt hatte. „Ich werde hineingucken. Aber das heißt nicht, dass ich es behalten werde, was immer es ist.“
Sie riss die Schleife auf, hob den Deckel ab und wühlte in mehreren Lagen von feinstem grünen und blassblauen Seidenpapier. Dann erstarrte sie. Ihr stockte der Atem, ihre Augen füllten sich mit Tränen, und ihre Unterlippe bebte, obwohl sie lächelte.
Eine einzelne weiße Nelke lag auf einem Set brandneuer, erstklassiger Steckschlüssel.
„Oh, Connor“, flüsterte sie und fuhr mit den Fingern ehrfürchtig über die kühlen Werkzeuge. „Du wundervoller Verrückter.“
Er hatte sie gerührt. Er hatte gewusst, wie, und er hatte wieder ihr Herz berührt. Warum machte er es aber? Was hatte das zu bedeuten? Und wie konnte sie sich davon abhalten, gefährliche Hoffnungen zu entwickeln?
„Was machst du nur, Connor? Und warum?“ Sie ließ sich in ihren Sessel fallen und drückte die Nelke an die Brust – und versuchte mit aller Kraft, nicht zu viel in seine Geste hineinzulesen.
Connor hatte einen Plan.
Er hatte ihn in der vergangenen Nacht entwickelt, und jetzt musste er nur abwarten und sehen, ob sein Plan funktionieren würde. Dass er gestern Emma verlassen musste, war das Schwerste, was er je getan hatte. Im Vergleich dazu war der Einsatz in einer Kriegszone nichts.
Eine Frau allein lassen zu müssen, der man wehgetan hatte, war unendlich schwieriger, besonders wenn diese Frau einem mehr bedeutete, als einem bisher bewusst gewesen war. Warum weiß man eigentlich nie genau, wie wichtig einem ein Mensch sein kann – bis man ihn verliert? Connor war die ganze Nacht über wach geblieben und hatte darüber gegrübelt, was er jetzt tun wollte.
Zunächst hatte er an nicht viel mehr denken können als an Emmas tränenerfüllte Augen, das traurige Gesicht und die untröstliche Stimme. Er hatte diesen Moment wieder und wieder durchlebt, bis ihm schließlich dämmerte, was die einzige Antwort auf das Problem war.
Und nachdem er der Wahrheit ins Gesicht geschaut hatte, war die Lösung unfassbar simpel. Die Antwort auf alles war natürlich Emma. Er konnte sich ein Leben ohne Emma nicht vorstellen.
Zwei Jahre lang hatten sie zusammen gelacht und gearbeitet und über alles und jeden gesprochen. Emma war so oft der Mittelpunkt seiner Tage gewesen, und doch war es ihm nie richtig bewusst geworden. Und nur wegen dieser blöden Wette …
Die Nächte mit ihr in seinen Armen waren die vollkommensten, wundervollsten, die er je erlebt hatte. Mit Emma war das Liebesspiel reine Magie gewesen, eine Magie, die er einfach hingenommen hatte, ohne darüber nachzudenken, und die er jetzt durch seine Dummheit womöglich verloren hatte.
Jetzt musste er Emma nur davon überzeugen, dass er klug genug war, das Beste zu erkennen, was das Schicksal ihm jemals geschenkt hatte.
Früh am nächsten Morgen stolperte Emma noch ganz verschlafen in die Küche und suchte nach Kaffee. Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht und warf einen Blick auf das stumme Telefon. Sie hatte eigentlich erwartet, dass Connor sie gestern Abend anrufen würde. Aber er hatte es natürlich nicht getan.
„Der Mann tut nie, was man von ihm erwartet“, nuschelte sie vor sich hin, holte einen blauen Keramikbecher aus dem Küchenschrank und sah sich nach der Kaffeemaschine um. Sie schenkte sich ein und ging auf die hintere Veranda hinaus, um ihren Kaffee zu trinken.
Sie atmete die noch kühle Morgenluft tief ein und seufzte genießerisch, als eine leichte Brise ihre nackten Beine streichelte. Bald schon würde die Sommerhitze wieder ganz Baywater im eigenen Saft schmoren lassen. Aber jetzt, in den Minuten kurz vor der Dämmerung, war die Luft frisch und süß und noch kühl vom Morgentau.
Emma setzte sich auf die oberste Verandastufe und hielt den Becher zwischen beiden Händen. Der aromatische Kaffeeduft weckte sie allmählich auf und öffnete ihr die Augen. Sie nahm einen Schluck und fühlte sich gleich viel besser.
Sie war die Hälfte der Nacht wach geblieben und hatte – natürlich – an Connor
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