JULIA COLLECTION Band 16
ungeduldig hinter sich herzogen. „Die Nachbarn reden miteinander. Sie lächeln sich an. Auf der Autobahn lächelt nie jemand.“
Den Hunden war das herzlich egal.
Tina hatte nie viel über die Unterschiede zwischen South Carolina und Kalifornien nachgedacht. Und wenn sie es sich recht überlegte, dann wohl vor allem deswegen nicht, weil sonst ihr Heimweh zu stark geworden und nicht zu ertragen gewesen wäre. Bis jetzt waren ihre Besuche bei ihrer Großmutter immer kurz gewesen, und sie war während dieser Besuche so beschäftigt gewesen oder hatte ständig mit ihrer Großmutter zusammengesessen und geplaudert, dass sie keine Zeit gehabt hatte, in ihrer Heimatstadt herumzuspazieren und die stille Schönheit und friedvolle Atmosphäre zu genießen. Kein einziges Mal hatte sich die Gelegenheit ergeben, sich vom Stress in der Großstadt zu erholen und sich wirklich auszuruhen. Und jetzt, da sie es endlich tat, stellte sie fest, dass sie sich daran gewöhnen könnte.
Muffin und Peaches zerrten an ihren Leinen und trippelten hierhin und dahin, bis die Leinen sich hoffnungslos verheddert hatten und die beiden Hunde kurz davor waren, sich wegen ihrer Begeisterung zu erdrosseln. Tina lachte und hüpfte schnell über Peaches hinweg, als diese zurücklief, um an etwas besonders Interessantem zu schnuppern.
Tina kniete sich hin und wechselte die Leinen geschickt von einer Hand in die andere, bis sie wieder ordentlich waren. „Wie wäre es, wenn ihr es mal etwas geruhsamer angehen ließet?“, fragte sie und lachte, als Muffin ihr mit der rosa Zunge über das Kinn fuhr.
Tina setzte ihren Spaziergang fort und lauschte dem Klicken der Hundepfoten auf dem Pflaster. Sie dachte über ihren neuesten Plan nach. Sie hatte eine lange, schlaflose Nacht hinter sich, in der sie natürlich an Brian gedacht hatte und an alles, was er gesagt hatte. Oder vielmehr, was er nicht gesagt hatte. Und kurz vor dem Morgengrauen war ihr klar geworden, was sie tun musste.
Sie musste mit dem einen Reilly-Bruder reden, der ihr keine Lügen erzählen würde, um Brian zu decken. Sie musste den einen Mann aufsuchen, der durch seine Ehre und seinen Beruf dazu verpflichtet war, ihr die ganze Wahrheit zu sagen: Pfarrer Liam Reilly.
5. KAPITEL
Das Pfarrhaus neben der katholischen Kirche St. Sebastian war alt und elegant und im gleichen Stil erbaut wie die kleine Kirche. Es sah aus wie ein winziges Schloss. Uralte Magnolien standen im Garten, und ihre breiten, seidigen Blätter raschelten in der sanften Brise, als Tina sich dem Haus näherte.
Der verwitterte graue Backstein des Gebäudes schien das Sonnenlicht aufzusaugen, in sich zu speichern und dadurch selbst eine gewisse willkommen heißende Wärme auszustrahlen. Die Bleiglasfenster glänzten in der Sonne, und purpurrote und weiße Petunien blühten in riesigen Terrakottatöpfen auf der Veranda.
Muffin und Peaches liefen den Weg hinauf und zerrten Tina hinter sich her. Als sie die Haustür erreichte und klingelte, war sie außer Atem. Eine ältere Frau mit leicht angegrautem roten Haar und lebhaften grünen Augen öffnete ihr und fragte: „Guten Tag. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“
„Guten Tag. Ich möchte gern mit dem Pfarrer sprechen, wenn er daheim ist.“
Die Frau bedachte Tina mit einem abschätzenden Blick, nickte dann und trat zurück, um sie einzulassen. Tina folgte ihr und hielt die Leinen der Hunde fester, um sie unter Kontrolle zu haben. Sie sah sich um und betrachtete die verzierte Holzverkleidung an den Wänden, die verblassten Farben der Teppiche und das Rautenmuster auf dem glänzenden Holzfußboden, entstanden durch das Sonnenlicht, das durch die Fenster drang.
„Er ist hier“, sagte die Frau und griff nach den Leinen der Hunde. Sie rümpfte dabei ein wenig die Nase und fügte hinzu: „Ich nehme Ihre Hunde mit hinaus in den Garten, während Sie mit Pfarrer Reilly sprechen.“
Bevor Tina zustimmen oder ablehnen konnte, hatte sie Muffin und Peaches schon genommen und ging mit ihnen einen langen Flur entlang zum hinteren Teil des Hauses. Tina zuckte die Achseln, ging auf die Tür zu, die man ihr gewiesen hatte, klopfte laut an und öffnete sie.
Liam saß in einem weich gepolsterten Sessel, die Füße auf einem mit Zeitschriften bedeckten Kaffeetisch. Er ließ das Buch sinken, in dem er gerade gelesen hatte, lächelte erfreut und sprang sofort auf, als er sie erkannte. „Tina!“
Er kam mit wenigen langen Schritten durch den Raum auf sie zu und umarmte sie fest. Tina
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