JULIA COLLECTION Band 16
folgenden paar Tage nicht in ihre Nähe zu kommen. Es war besser, wenn sie beide etwas Abstand zueinander gewannen und die Erinnerung an die vergangene Nacht ein wenig verblasste, bevor sie sich wiedersahen.
Nach dem Abendessen mit seinen Brüdern war er schon halb auf dem Weg nach Hause gewesen, als er plötzlich kehrtmachte und stattdessen zu Emmas Haus fuhr. Die Enttäuschung, die er empfand, als er sah, dass keine Lichter brannten und sie also nicht zu Hause sein konnte, war so groß, dass er lieber nicht länger darüber nachdachte, warum er so heftig reagierte. Und was er hätte tun sollen, wäre gewesen, ihre Abwesenheit als eine Art himmlisches Zeichen zu deuten. Irgendjemand da oben passte auf ihn auf und sorgte dafür, dass er Emma nicht fand, wenn er versuchte, sie zu besuchen.
Doch stattdessen fuhr er zur Werkstatt.
In den vergangenen zwei Jahren hatte er unzählige Maleabends noch mit ihr gearbeitet, ihr bei einem Ölwechsel geholfen oder einfach mit ihr im Büro gesessen und geplaudert. Ihm war bisher gar nicht bewusst gewesen – erst jetzt, da er versuchte, nicht in ihre Nähe zu kommen –, wie viel Zeit er tatsächlich in Emmas Gesellschaft verbrachte.
Irgendwie und ohne dass er es gemerkt hatte, war sie ein wichtiger Teil seines Lebens geworden. Sie war normalerweise diejenige, bei der er seinen Sorgen über den einen oder anderen Rekruten Luft machte. Mit ihr lachte er über die Geschichten, die Aidan ihm erzählte. Sie hörte ihm geduldig zu, wenn er über seine Freundinnen, seinen Job oder sein Leben nörgelte. Emma war mehr als nur eine Freundin, sie war seine beste Freundin.
„Und jetzt hast du sie nackt gesehen“, sagte er sich stöhnend und dachte schnell an etwas anderes. Er konnte sich unmöglich aufs Fahren konzentrieren, wenn ständig Bilder von Emmas zarter Haut, vom Mondlicht beschienen, vor seinem inneren Auge erschienen.
Neben ihm an einer Ampel hatte ein Wagen voller Teenager gehalten, die lachten und johlten. Die Mädchen waren schick zurechtgemacht, und die Jungen gaben sich Mühe, cool zu erscheinen. Lärmende Musik drang durch ihr offenes Fenster bis zu Connor und unterbrach seine Gedanken. Er lächelte leicht, als die Ampel auf Grün schaltete und der junge Fahrer mit quietschenden Reifen losbrauste. Connor beneidete ihn fast.
Solche Sommernächte waren für lange Autofahrten und Gelächter geschaffen, für verstohlene Küsse und romantische Spaziergänge, für Seufzer und geflüsterte Worte und das Versprechen von sehr viel mehr.
Und, verdammt noch mal, er wollte mehr – von Emma.
„Dir geht’s nicht gut“, sagte er leise, während er den Wagen zur Werkstatt fuhr. Er hatte das Steuer so fest gepackt, dass seine Knöchel weiß wurden. Sein Magen zog sich nervös zusammen, und eine innere Stimme warnte ihn eindringlich, sich bloß von Emma fernzuhalten.
Aber er hörte nicht hin. Es ging über seine Kräfte. Außerdem, dachte er, bringt es wahrscheinlich gar nichts. Wenn ich sie nicht sehe, wird es nur noch schlimmer mit mir. Vielleicht würde er sich aber wieder fangen, wenn er sie wiedersah.
Dieser Gedanke half ihm, sich ein wenig besser zu fühlen. Er schlug kräftig auf das Steuer und nickte. „Genau. Sie ist meine Freundin, also beweist mein Besuch bei ihr nur, dass ich mit der Situation fertig werde.“
Die leise Stimme in seinem Hinterkopf flüsterte, dass er nur eine Ausrede suchte. Connor ignorierte sie einfach. Er parkte vor der Werkstatt und sah, dass das Büro dunkel war. Die große Eingangstür war zu, aber durch die halbmondförmigen Fenster darüber schimmerte Licht.
Connor stellte den Motor ab, zog die Bremse an und biss grimmig die Zähne zusammen, als ihm bewusst wurde, dass er zum ersten Mal in seinem Leben kurz davor war, den Rückzug anzutreten. Aber der Gedanke allein genügte, um ihm erst recht den Ansporn zu geben, aus dem Auto zu steigen und auf die Werkstatt zuzugehen. Die schwüle Nachtluft umhüllte ihn wie ein feuchter Handschuh, während er mit langen, entschlossenen Schritten weiterging.
Emma hatte schon immer gern abends gearbeitet. Sie war gern allein an ihrem Arbeitsplatz, weil sie hier viel Zeit zum Nachdenken hatte. Connor fragte sich, worüber sie heute wohl nachdachte.
Als er die Tür öffnete – die sie verflixt noch mal hätte abschließen müssen –, runzelte Connor die Stirn und schloss für alle Fälle vorsichtshalber hinter sich ab. Was dachte Emma sich nur dabei, so spät ganz allein hier zu arbeiten und die
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