JULIA COLLECTION Band 17
Jack, auf den sie sich immer verlassen konnte, wenn sie ihn brauchte. So wie nach der Trennung von …
„Hallo, Kate.“
Jack drückte ihr aufmunternd den Arm, und sie schluckte mühsam. Der Kloß in ihrem Hals schien immer größer zu werden. Dann drehte sie sich um.
Zu ihm. Ihrem Exverlobten.
„Brad“, begrüßte sie ihn scheinbar unbeschwert. „Wie geht es dir?“ Höfliche Floskeln für einen Mann, von dem sie einst geglaubt hatte, dass sie ihn fast so gut kannte wie sich selbst.
Jetzt, nach all den Jahren, war er nur ein Fremder.
Ein großer Fremder, mit welligem dunklem Haar, das sie ihm aus den braunen Augen gestrichen hatte, wenn er sich über sie beugte …
„Gut“, erwiderte der „Fremde“ mit leicht zuckenden Lippen. „Und dir?“
Sein Blick war nicht annähernd so warm wie früher, und Kate sagte sich, dass sie darüber froh sein sollte.
„So rührend das hier auch ist“, ersparte Rafe ihr eine Antwort, „können wir endlich anfangen?“
„Ja“, sagte Cord. „Hannah ist mit Becky beim Kinderarzt, und ich möchte sie nachher abholen.“
Kate war dankbar, als Brads Blick endlich von ihr zu den anderen wanderte. Sie wünschte, Hannah wäre hier. Die Frau, die die kleine Becky zu den Stockwells gebracht hatte, war erst Kates Freundin und dann Cords Frau geworden, und in diesem Moment hätte sie Hannahs moralische Unterstützung mehr denn je gebraucht.
„Ich nehme an, das heißt, ich bin dran“, meinte Jack, und erst jetzt merkte Kate, dass sie die ganze Zeit auf Brads Rücken gestarrt hatte. Hastig konzentrierte sie sich auf ihren Bruder. Er hatte ein flaches Paket über die Armlehnen eines Ohrensessels gelegt und riss jetzt das braune Packpapier auf. Zum Vorschein kam erst ein vergoldeter Rahmen, dann die Ecke eines Gemäldes.
„Das hier habe ich in Frankreich gefunden“, erklärte er, bevor er es ganz auswickelte und dorthin zeigte, wo die Künstlerin das Bild signiert hatte. „Gemalt von Madelyn LeClaire.“
Kate starrte auf das Porträt.
„Unglaublich“, entfuhr es Rafe.
„Sie sieht aus wie Kate als junges Mädchen“, murmelte Cord.
„Richtig.“ Jack betrachtete das Bild, als könnte selbst er es nicht glauben. Dabei hatte er es gefunden. Er hatte seine Geschwister aus Frankreich angerufen und ihnen erzählt, dass Madelyn inzwischen aus Europa nach New England zurückgekehrt war. „Ich habe meinen Augen nicht getraut.“
„Meinst du, wir sollten es dem alten Herrn zeigen?“, fragte Rafe, sah jedoch nicht so aus, als würde er seinen Vorschlag ernst meinen.
„Als Beweis für all die Lügen, mit denen wir aufgewachsen sind?“ Cord verzog das Gesicht. „Ich bezweifle, dass es ihn beeindrucken würde – bei all den Schmerzmitteln.“
„Selbst wenn er klar wäre, würde es ihn kaltlassen“, meinte Cord leise und sah Kate an. „Es ist, als würdest du in einen Spiegel schauen, was?“
Sie hörte die Worte wie durch Watte. „Wie …“ Sie schüttelte den Kopf.
„Es hing in einer kleinen Galerie außerhalb von Paris. War außerdem nicht ganz billig.“ Er trat zur Seite, und die Männer beugten sich über das Gemälde.
Kate stand hinter ihnen. Die vier regten sich über den unverschämten Preis auf, und sie war kurz davor, sich lautstark bemerkbar zu machen. Dann sah Brad über die Schulter.
Sie hielt es keine Sekunde aus. Ihre Augen begannen zu brennen, und sie wandte sich rasch ab, um den Raum zu verlassen.
Madelyn LeClaire hatte ein Selbstporträt gemalt. Eine Frau, die aussah wie Kate. Madelyn LeClaire – alias Madelyn Johnson Stockwell. Ihre Mutter.
Ihre Mutter, die angeblich vor Jahren bei einem Bootsunfall ums Leben gekommen war.
Das jedenfalls hatte ihnen ihr Vater erzählt. Eine tödliche Krankheit fesselte ihn ans Bett, und vor ein paar Monaten hatte er versucht, sein Gewissen zu erleichtern. Ein Gewissen, auf dem die Sünden eines ganzen Lebens lasteten. Er hatte ihnen erzählt, dass Madelyn nicht gestorben war, sondern ihre Familie verlassen hatte – schwanger von einem anderen Mann.
Seitdem versuchten Kates Brüder, ihre verschollene Mutter zu finden.
Hatte Madelyn sich selbst gemalt? Oder eine zweite Tochter? Schließlich war sie damals angeblich schwanger gewesen. Doch Caine, Stockwell senior, war nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte.
Wie blind lief Kate durchs Haus, die Arme um den zitternden Körper geschlungen. In ihren Augen standen Tränen.
„Kate? Bist du in Ordnung?“
Sie erstarrte. O nein! Warum musste
Weitere Kostenlose Bücher