Julia Collection Band 21
zu sagen gab. Roel war ein aufmerksamer Beobachter und hatte die Feindseligkeit seines Anwalts bemerkt. Nun, schon bald würde er wissen, weshalb Paul Correro seine Verachtung nicht hatte verbergen können. Furcht und Verzweiflung drohten Hillary zu überwältigen. Wie konnte sie Roel sagen, dass ihre Ehe keine echte Ehe war? Wie sollte sie das fertigbringen?
Erst als die Limousine vor einem exklusiven Schönheitssalon hielt, erinnerte sie sich, dass sie am Vortag hier einen Termin vereinbart hatte, um die pinkfarbenen Spitzen aus ihrem Haar entfernen zu lassen, weil ihr das ein bisschen zu jugendlich aussah. Wieso bist du nicht ehrlich zu dir selbst? meldete sich eine innere Stimme. Sie wollte die pinkfarbenen Spitzen loswerden, um für Roel eleganter zu wirken. Aber wozu sich jetzt noch die Mühe machen, da ihre Fantasiewelt gerade zusammenbrach?
„Hillary?“, fragte Roel.
„Können wir noch ein oder zwei Minuten herumfahren?“, bat sie und wagte es nicht, ihn anzusehen, weil sie viel zu durcheinander war, um einen klaren Gedanken zu fassen. Sie wusste nur, dass sie nicht aussteigen und ihn verlassen wollte.
Die Wahrheit schmerzte. In der vergangenen Woche hatte sie versucht, ihren Traum zu leben. Sie hatte jeden Skrupel verdrängt und so getan, als wäre sie Roels Frau. Und sie war unglaublich glücklich dabei gewesen, glücklicher, als sie je für möglich gehalten hätte, denn der Mann, den sie liebte, hatte sie wie seine Frau behandelt. Das Problem war nur, dass sie nicht das war, wofür er sie hielt, und alles Wünschen konnte an dieser Tatsache nichts ändern.
Paul Correro hatte ihren schönen Traum zerstört. Er hatte ihr außerdem schmerzlich klargemacht, in welch eigennützigem Licht ihr Handeln erscheinen könnte. Dabei war es nie ihre Absicht gewesen, jemanden zu verletzen oder Schaden zuzufügen, schon gar nicht dem Mann, den sie liebte. Doch allein bei der Erinnerung an Pauls Blick brach Hillary der kalte Schweiß aus.
„Möchtest du diesen Termin lieber absagen?“, erkundigte sich Roel ein wenig ungeduldig.
Wie würde er sich wohl fühlen, wenn ihm klar wurde, dass sie ihm eine Lüge vorgelebt hatte? Würde er sie, wie Paul Correro es angedeutet hatte, dafür verachten? Diese Vorstellung war unerträglich, doch wurde ihr von Minute zu Minute deutlicher bewusst, dass die Maskerade viel zu weit gegangen war.
„Nein, schon gut …“ Aus dem Wagen zu steigen wurde nicht leichter dadurch, dass Roel so fantastisch aussah. Hillary rutschte spontan zu ihm hinüber und küsste ihn mit bittersüßer Leidenschaft.
„Es waren herrliche Tage“, sagte sie unsicher, nahm ihre Handtasche und stieg rasch aus, bevor sie ihn und sich in Verlegenheit bringen konnte.
Im Friseursalon fühlte sie sich, als würde eine Glaswand sie von den vertrauten Aktivitäten um sie herum trennen. Voller Entsetzen begriff sie, dass es Zeit wurde, wieder aus Roels Leben zu verschwinden. Und zwar so schnell wie möglich. Denn welchen Sinn hätte es, mit ihm auf das Castello zurückzukehren und ihm zu gestehen, was sie getan hatte? Was hätten sie beide davon?
Sie entschied, dass es klüger wäre, gleich zurück nach London zu fliegen. Zum Glück bewahrte sie ihren Reisepass in der Handtasche auf, und sobald ihre Haare gemacht waren, konnte sie zum Flughafen in Lugano fahren. Sie würde einen Abschiedsbrief für Roel in der Limousine hinterlassen. Wäre das nicht die vernünftigste Entscheidung? Sobald er die Wahrheit über sie kannte, würde er wütend und erstaunt sein und vermutlich froh, sie los zu sein. Jede gute Meinung, die er von ihr gehabt hatte, wäre dann zerstört.
Hillary musste gegen die aufsteigenden Tränen ankämpfen. Wie hatte alles nur so schiefgehen können? Dabei hatte sie Roel doch nur helfen wollen. Das Problem war, dass sie sich von ihrer Fantasie hatte mitreißen lassen. Und jetzt würde sie dafür bezahlen müssen, denn sie würde Roel niemals wiedersehen. Das war die härteste Strafe, die sie sich vorstellen konnte.
„Hast du noch keine Pause gemacht?“, fragte Sally Witherspoon.
Hillary räumte gerade einen Stapel frisch gewaschener, ausgeblichener Handtücher in das Regal hinter den Waschbecken. „Ich habe keinen Hunger.“
„Den solltest du aber haben.“ Das unscheinbare Gesicht ihrer Angestellten drückte Besorgnis aus. „Du kannst nicht mit leerem Magen so viel arbeiten. Außerdem siehst du müde aus.“
„Hör auf, dir meinetwegen Sorgen zu machen. Mir geht es gut.“ Hillary
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