Julia Collection Band 26
über Land gelaufen sein sollte, wenn er kein bestimmtes Ziel hatte.“
„Das bedeutet, wir schlagen denselben Weg ein?“
„Wenn du mich fragst, sollten wir am besten wieder zurückgehen, den Geländewagen holen und dem Flusslauf folgen, und zwar die nächsten zehn Kilometer. Ich glaube nicht, dass ein kleiner Junge viel weiter gelaufen sein kann.“
Sarah nickte. Das war eine vernünftige Entscheidung, denn das Tageslicht schwand auch immer mehr. Als sie den Rückweg zum Wagen einschlugen, begann die Sonne gerade im Westen unterzugehen.
Die ruhige Nachmittagsstimmung wurde durch das heisere Krächzen von gelben Haubenkakadus gestört, die einander durch die Baumwipfel am Ufer verfolgten. Reid gab ihren Plan per Funk an Heath Drayton weiter.
„Das klingt nach einer guten Idee“, stimmte Heath zu. „Achtet nur darauf, dass ihr mit uns in Verbindung bleibt.“
„Natürlich.“
Reid wollte das Funkgerät bereits abstellen, als Heath noch hinzusetzte: „Falls ihr Danny in der nächsten Stunde nicht findet, solltet ihr im Busch übernachten. Macht ein Lagerfeuer, damit Danny euch sehen kann.“
Bei diesen Worten biss Sarah sich auf die Lippe. Sie hatte sich bisher nicht gestattet, die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, dass sie eine Nacht allein im Busch mit Reid verbringen musste. Ob ihre Nerven dieser Anspannung gewachsen waren?
Ihr Blick suchte seinen. Bestürzt erkannte sie, dass er sie mit kühler, fast unpersönlicher Distanz betrachtete.
Die Stimme von Heath brach in die peinliche Stille ein. „Ist das ein Problem?“
„Ist das ein Problem, Sarah?“, fragte Reid ruhig.
„Sarah kann natürlich auch auf der Farm bleiben, wenn ihr das lieber ist“, meinte Heath.
Reids Gesicht glich einer ausdruckslosen Maske. „Du musst nicht mit mir kommen.“
Sein Mangel an Emotion verletzte sie mehr, als sie ertragen konnte. Aus lauter Trotz erwiderte sie: „Nein, das ist überhaupt kein Problem. Ich muss mitkommen und Danny suchen. Er kennt mich und vertraut mir.“
Reid nickte. „Es wird schon nicht zu ungemütlich werden. Im Wagen sind zwei Schlafsäcke, und ich habe genug Wasser dabei.“
Bestimmt war ihm klar, dass es nicht der Mangel an Komfort war, der ihr zu schaffen machte. „Meinetwegen sei unbesorgt“, sagte sie.
Er sprach erneut über das Funkgerät. „Heath, wir können die Nachtschicht übernehmen.“
„Prima. Packt eine Thermoskanne Tee und ein paar Sandwiches ein. Die Frauen auf der Farm versorgen euch gern damit.“
„Machen wir.“
„Und wenn ihr euer Lager aufschlagt, schürt bitte ein richtig großes Feuer. Wer weiß, vielleicht findet Danny euch ja.“
Nachdem sie den Wagen geholt und Vorräte eingepackt hatten, ging es wieder los. Doch nach ein paar Minuten hielt Reid überraschend an und wandte sich Sarah zu. „Bist du sicher, dass du nicht lieber auf der Farm bleiben möchtest?“
Sie seufzte tief. „Ja, ich muss mit dir kommen. Besonders jetzt.“
Reid runzelte die Stirn. „Warum besonders jetzt? Was ist passiert?“
„Man sagt, ich sei dafür verantwortlich, dass Danny weggelaufen ist.“
„Du?“
„Ja.“
„Wie, zum Teufel, kann das deine Schuld sein?“
„Offensichtlich hat er sich sehr aufgeregt, als er hörte, dass ich die Schule verlassen werde.“
Ein roter Fleck erschien auf Reids Wange. „Wer hat dir das gesagt?“
„Linda Hill, Dannys Tante. Sie hat es mir vorhin erzählt, als ich die Sandwiches für uns geholt habe.“
Er stieß einen leisen Fluch aus. „Warum können sich die Leute eigentlich nicht um ihre eigenen verdammten Angelegenheiten kümmern?“
Die Heftigkeit seiner Reaktion überraschte sie. „Ich bin sicher, dass es stimmt. Danny hasst jede Form von Veränderung. Es ist nicht so, dass er besonders an mir hängt. Kinder mit dem Asperger-Syndrom binden sich nur sehr selten an jemanden. Aber es würde ihm sicher nicht gefallen, eine neue Lehrerin zu bekommen, weil dies seine Routine stören würde.“
Reid presste die Lippen zusammen und beschleunigte das Tempo. „Wer hat Danny denn gesagt, dass du die Schule verlassen wirst? Das weiß die Öffentlichkeit doch bisher noch gar nicht, oder?“
„Vermutlich hat es der Busfahrer den Kindern gestern auf dem Heimweg erzählt.“
„Der Busfahrer?“ Reid schlug mit der Faust auf das Steuerrad. „Dann wissen es inzwischen bestimmt alle.“
Sarah seufzte. „Ja, ich weiß.“
„Es überrascht mich, dass du aller Welt unsere Privatangelegenheiten erzählst.“
Sarah
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