Julia Collection Band 26
verbarg seine Schönheit wie ein gut gehütetes Geheimnis. Stieß man jedoch auf die verborgenen Reize, wie diesen Teich, inmitten der Felsen und hoch über dem Tal gelegen, war es einfach atemberaubend.
Schade nur, dass sie ihre Malsachen nicht bei sich hatte, sonst hätte sie dies alles festhalten können. Gern hätte sie den Teich mit dem schimmernden grünen Wasser gemalt, umgeben von Felsen und Farnen, den unglaublich blauen Himmel und das hübsche Schattenmuster, das die über das Tal ziehenden Wolken warfen.
Den Vordergrund könnte sie mit dem leuchtenden Rot des Zinnkrauts auflockern, das in Gesteinsspalten wuchs, und die schwarzen und weißen Schmetterlinge würden dramatische Akzente setzen.
„Was für ein nachdenkliches Gesicht.“
Sie zuckte leicht zusammen und drehte sich zu Kane um, der direkt auf sie zukam. „Ich habe Sie nicht gehört. Ist Tim fort?“
„Ja.“
„Wird er durchkommen?“
„Ganz sicher. Wenn Sie sich anstrengen, sehen Sie vielleicht den Staub, den sein Pferd aufwirbelt. Dort drüben“, fügte er hinzu und zeigte ihr die Richtung.
Sie spähte angestrengt nach unten und spürte Kanes Nähe geradezu körperlich. Tatsächlich entdeckte sie eine dünne Staubwolke über dem Busch. Gemeinsam beobachteten sie die Staubspur, bis sie hinter fernen Bäumen verschwand.
„Fantastische Aussicht, nicht wahr?“, fragte Kane.
„Herrlich. Ich hätte jetzt gern eine Kamera bei mir, damit ich Erinnerungen mit nach Hause nehmen kann.“
„Wenn wir wieder auf der Southern Cross sind, schauen Sie sich meine Fotos an. Ich habe viele Aufnahmen gemacht, und Sie können sich welche aussuchen.“
„Danke, sehr gern.“ Ihr Lächeln fiel nicht ganz echt aus, weil der Gedanke an die Heimreise ein flaues Gefühl bei ihr auslöste. Natürlich musste sie bald abreisen. Wenn Tim alles gut überstanden hatte, gab es für sie keinen Grund mehr, den Aufenthalt zu verlängern. Als Haushälterin auf der Southern Cross war sie keineswegs unersetzlich, und ihr Vater brauchte sie in St. Alban.
Um das Thema zu wechseln, erkundigte sie sich: „Was ist das eigentlich für ein Gefühl, wenn Sie von hier aus ins Tal blicken und wissen, dass Ihnen das ganze Land gehört?“
Kane setzte sich auf einen Felsen und überlegte sich die Antwort eine Weile. „Es ist weniger ein Gefühl des Besitzens. Es geht mehr darum, dass man zum Land gehört, und man empfindet Dankbarkeit, weil man hier leben und arbeiten kann.“
„Sie lieben dieses Land, nicht wahr?“
„Aber sicher“, beteuerte er lächelnd. „Vielleicht liegt das an meiner schottischen Abstammung. Es heißt, dass hauptsächlich Schotten die gemäßigten Zonen verlassen und sich in den härtesten Gegenden von Australien angesiedelt haben.“
„Nun, meine Familie ist englisch, soweit man das überhaupt noch zurückverfolgen kann, aber ich würde diese Aussicht gern malen.“
„Ach ja? Sind Sie Künstlerin?“
„Nein, das kann ich wirklich nicht von mir behaupten. Ich wäre gern eine, aber …“ Charity zuckte die Schultern. „Das klingt zwar nach einer schrecklich lahmen Ausrede, aber ich hatte nie Zeit.“
„Bestimmt haben Sie viel Arbeit mit der Sonntagsschule und dem ganzen Haushalt.“
„Ja, das stimmt.“
„Schade“, meinte er leise. „Sie hätten mehr Zeit für Ihre eigenen Interessen verdient.“
Da er viel Verständnis zeigte, fuhr sie fort: „In der Schule haben mich meine Lehrer im Kunstunterricht ermutigt. Eines Tages werde ich bestimmt wieder malen.“
„Sobald Sie einen reichen Ehemann gefunden haben.“
Um ein Haar wäre sie kopfüber in den Teich gekippt. Das Wort Ehemann aus Kanes Mund jagte ihr heiße und kalte Schauer durch den Körper. Wie albern! Sie musste sich unbedingt besser beherrschen. „Einen reichen Ehemann“, wiederholte sie möglichst verhalten. „Das ist eine großartige Idee. Wäre ich doch nur schon früher auf den Gedanken gekommen. Sie haben ja so recht! Ich brauche unbedingt einen netten Mann, der all meine Launen erträgt und mich nach Herzenslust malen lässt.“
„Ich dachte, jede Frau wünscht sich einen Ehemann, der ihre Wünsche erfüllt.“
Sie wagte nicht, ihn anzusehen, hörte jedoch den humorvollen Ton in seiner Stimme und rang sich ein Lächeln ab. „Offenbar habe ich einen Fehler gemacht. Ich hätte einen Ehemann und nicht meinen hilflosen kleinen Bruder suchen sollen, schon gar nicht meinen Bruder, der sich selbst nicht als hilflos betrachtet.“
„Richtig“, bestätigte
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