Julia Collection Band 61 (German Edition)
aussah. Was mochte er von ihr denken? Sie versuchte sich einzureden, dass das genau das war, was sie wollte. Sie wollte unattraktiv auf ihn wirken, damit sein Verlangen nach ihr abnahm. Und nichts war dazu besser geeignet als ein hässliches Kleid und eine langweilige Frisur.
„Du bist wunderschön“, sagte Tyson, ohne sich zu bewegen.
„Wie bitte?“
Tyson sah ihr Erstaunen und hatte den Eindruck, dass er nicht das Richtige gesagt hatte. Das war typisch für ihn. Wenn er etwas Schmeichelhaftes sagen wollte, dann klang das immer anders, als er es gemeint hatte. Doch gerade heute sollte sie verstehen, was in ihm vorging.
Er trat zögernd auf sie zu und versuchte ein Lächeln. „Du trägst deine Brille heute nicht. Deine Augen haben ein wunderbares Smaragdgrün. Dein ganzes Gesicht strahlt.“
„Oh.“ Merri runzelte die Stirn und suchte nach ihrer Brille, die sie irgendwo auf dem Tisch abgelegt hatte.
„Bitte, setz sie heute nicht auf“, bat Tyson. „Du brauchst sie nicht. Es gibt nichts Besonderes zu sehen. Ich kann dir doch sagen, was los ist.“
„Gut, wenn du meinst.“ Merri lachte kurz und steckte die Brille in ihre Tasche.
„Ich habe dir diese Blumen zum Anstecken mitgebracht.“ Er blickte auf das kleine Arrangement aus roten Rosen in seiner Hand und sah Merri dann unsicher an. „Hatte Janie nicht gesagt, sie würde ein dunkelblaues oder schwarzes Kleid für dich aussuchen? Die roten Rosen sollten es ein wenig beleben, aber …“
Dieses Mal lachte Merri herzhaft. „Das macht doch nichts“, sagte sie. „Dann passen sie eben nicht hundertprozentig zu meinem Kleid. Du siehst übrigens toll aus. Wie ein echter Gentleman der alten Schule. Tyson Steele, ich bin beeindruckt.“
Tyson lächelte. Er nahm an, dass sie übertrieb, aber er freute sich trotzdem über ihr Kompliment. Vielleicht konnte sie sich doch langsam an die etwas ungehobelte Art der Texaner gewöhnen. Und wenn das der Fall war, würde sie auch länger bleiben. Vielleicht sogar für immer.
Tyson musterte Merri von oben bis unten, und was er sah, gefiel ihm sehr. Das Kleid war zwar nichts Besonderes, aber an den richtigen Stellen lag es eng an und überließ nicht allzu viel der Fantasie. Wobei seine Fantasie sowieso auf Hochtouren lief.
In seiner Vorstellung sah er Merri nackt vor sich stehen. Ihre Brüste waren fest, und die Spitzen dunkel und hart, als warteten sie auf seine Lippen. Die Hüften waren weich gerundet und wie geschaffen zum Streicheln. Tyson riss sich zusammen und verdrängte diese erregenden Bilder. Er durfte diesen erotischen Fantasien nicht nachgeben.
In dieser Nacht würde nichts geschehen. Er hatte es ihr versprochen, und er würde sein Versprechen halten. Egal, was auch geschehen mochte. Merri war noch nicht zu dem bereit, was er mit ihr vorhatte. Aber er hoffte, dass es nicht mehr lange dauern würde.
Merri steckte sich die Blumen an und hakte sich dann bei ihm ein. „Dann wollen wir mal. Dieser Abend gehört dir, Ty.“
Wenn es nur so wäre. Tyson nahm sich vor, das Beste daraus zu machen. Es war ein Schritt in die richtige Richtung. Behutsam führte er Merri die breite Treppe hinunter in den Ballsaal.
Merri hielt sich dicht an seiner Seite und blieb möglichst immer einen halben Schritt hinter ihm, in der Hoffnung, dass niemand sie bemerkte.
Da waren die Honoratioren und ihre Frauen, denen sie vorgestellt werden musste. Aber das war kein Problem, weil niemand auf sie achtete. Vor allen Dingen die Frauen waren so von Tyson eingenommen, dass sie sie kaum wahrnahmen. Und das war gut so.
Das einzige Problem war der Gouverneur. Er sagte etwas Freundliches zu Tyson, wandte sich dann aber an Merri und nahm ihre Hand in seine. „Und wer ist diese entzückende junge Dame? Sie sind ganz sicher nicht aus Texas, denn ich bilde mir ein, dass ich all unsere hübschen Frauen kenne. Und Sie habe ich noch nie gesehen.“
Tyson zog die Augenbrauen zusammen und stellte Merri vor. Der Gouverneur musste über den besitzergreifenden Ton, den Tyson anschlug, lachen. „Man darf doch wohl mal schauen, Steele?“ Er zwinkerte ihm zu.
Merri wurde unwillkürlich rot. Diese übertriebenen Komplimente waren einfach lächerlich. Sie machte sich keine Illusionen darüber, wie sie in dem Kleid aussah.
Nach drei Stunden hatte Merri genug. Sie hatte ein typisches texanisches Abendessen über sich ergehen lassen, Monstersteaks mit den üblichen Beilagen, vierzehn Preise waren an die verschiedensten Organisationen verliehen
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