Julia Extra 0353
nicht lache!“
„Ich habe keine Ahnung, worauf du hinauswillst.“
„Bitte erspar uns das Theater“, sagte Zale, als er bei ihr anlangte. Seine Größe und Präsenz waren überwältigend. Hannah musste sich beinahe auf Zehenspitzen stellen, um ihm ins Gesicht zu sehen.
„Was meinst du damit?“, fragte sie mit fester Stimme, obgleich sie innerlich zitterte.
„Emmeline, ich weiß, warum du in Palm Beach warst. Ich weiß, dass du jede freie Minute mit ihm verbringst.“
Ungläubig hielt Hannah die Luft an. Das konnte nicht sein … Emmeline konnte sich unmöglich mit einem anderen Mann treffen, wenn sie mit König Patek verlobt war! Oder?
„Nein“, flüsterte sie. „Das stimmt nicht.“
„Mach die Sache nicht noch schlimmer. Es reicht doch, dass du dich während unserer Verlobungszeit mit ihm getroffen hast. Tisch mir jetzt nicht auch noch Lügengeschichten auf. Gute Freunde haben mich angerufen und mir alles erzählt.“
„Was für Freunde?“, entgegnete sie leise.
„Ist es nicht egal, wer es mir erzählt hat? Es entspricht doch der Wahrheit, dass du jede freie Sekunde mit Alejandro verbracht hast. Ich war mir nicht einmal sicher, ob du überhaupt ins Flugzeug steigen und herkommen würdest.“
Betroffen blickte Hannah auf ihre Hände.
Hatte Emmeline nur mit ihr die Rollen tauschen wollen, um mehr Zeit mit ihrem Liebhaber zu verbringen? Das konnte nicht sein …
Hannah schüttelte den Kopf. Hätte sie doch niemals mit dieser Maskerade angefangen! Sie hatte es für einen harmlosen Scherz gehalten, für ein paar Stunden in Emmelines Rolle zu schlüpfen. Dabei stand so viel auf dem Spiel.
Länder. Königreiche.
Die Selbstachtung dieses Mannes.
Sie spürte ein Brennen in den Augen und schaute weg. „Es tut mir leid“, sagte sie, obwohl ihre Entschuldigung an der Situation nichts ändern würde. Emmeline war nicht da. Hannah tat, als wäre sie ein anderer Mensch. Zale Patek wurde zum Narren gehalten.
Ihr Vater würde sich für sie schämen. Er hatte sie dazu erzogen, stark, unabhängig und ehrlich zu sein.
Dabei war sie im Moment alles andere als ehrlich.
„Aber du bist gekommen“, unterbrach er das Schweigen. „Nur: Wirst du auch bleiben, oder wartest du nur auf eine Gelegenheit, wieder wegzulaufen?“
Sie schwieg – was hätte sie antworten sollen?
Dabei sagte ihr Herz, dass jetzt die Gelegenheit wäre, ihm alles zu erzählen.
Doch dann drehte er sich um und ging die Treppe hinunter.
Zale brauchte dringend frische Luft.
Er bog in den Gang ein, der zu seinem Lieblingsflügel führte. Der alte Wehrturm war schon vor tausend Jahren errichtet worden, auf seiner Brüstung hatten Soldaten einst Wache geschoben.
Als Junge war dies sein Lieblingsversteck gewesen; weder seine Brüder noch seine Eltern hatten ihn dort jemals gefunden.
Nur auf der Turmspitze genoss er ein Gefühl von Freiheit.
Zale spazierte die Brüstung entlang, von der aus man einen herrlichen Blick auf die mittelalterliche Stadt, die grüne Hügelkette und das blaue Meer hatte.
Vorhin hatte er die Nerven verloren. Das war ihm seit Jahren nicht mehr passiert.
Natürlich hatte er schon vor Emmelines Ankunft gewusst, dass es Schwierigkeiten geben würde. Doch nun brachte ihre Anwesenheit ihn völlig durcheinander.
Wie konnte eine Frau nur so viele Gesichter haben?
Er versuchte, sich an die Prinzessin zu erinnern, die er vor einem Jahr auf der Verlobungsfeier kennengelernt hatte. Zwar hatte sie sich äußerlich nicht verändert, aber sonst war alles anders.
Ihr Gesichtsausdruck.
Ihr Benehmen.
Ihr Tonfall.
Wer war die wahre Emmeline? Die reservierte, eiskalte Frau, die ihn an eine Marmorstatue erinnert hatte? Oder diese warmherzige Frau, die leicht errötete und auf seinen Kuss so leidenschaftlich reagiert hatte?
Er war als König für die Zukunft seines Landes verantwortlich und brauchte die richtige Prinzessin an seiner Seite.
So schön Emmeline auch war, sie schien nicht die Richtige zu sein.
In erster Linie brauchte er keine leidenschaftliche, sondern eine charakterlich starke Königin.
Die Emmeline von vorhin mochte stark gewirkt haben, aber war das echt oder gespielt?
Er musste es herausfinden. Je eher, desto besser. Und wenn sie nicht die Richtige war, musste er die Verlobung unverzüglich auflösen.
Hannah war in ihre Suite zurückgegangen. Ihr war hundeelend zumute.
Sie hätte Zale alles erzählen, ihn um Verzeihung bitten und sofort nach Hause fliegen sollen. Aber sie hatte es nicht getan,
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