Julia Extra 360
sollte. Er war nicht an Ellie als Frau interessiert … auch wenn seine Hormone das Gegenteil behaupteten.
„Hast du dich etwa selbst ins Aus manövriert?“, hakte Riley nach. „Vermutlich ja. Hast du wenigstens ihre Telefonnummer bekommen?“
„Die steht doch im Telefonbuch“, erwiderte Finn sachlich.
„Ja, die Nummer ihres Büros! Du denkst wirklich immer nur ans Geschäft.“
Sie verließen den Lift und gingen auf die Beacon Street. An deren Ende schimmerte der Charles River, auf dem Ruderer das herrliche Wetter nutzten. Eine leichte Brise verlieh der Luft angenehme Frische, kurz gesagt, es war ein Frühlingstag, wie man ihn sich schöner nicht wünschen konnte.
Finn und Riley bahnten sich ihren Weg durch die Fußgängermassen. Dass sie zu ihrem Stammlokal McGills gehen würden, mussten sie nicht besprechen. Das war das Schöne, wenn man es mit einem Bruder zu tun hatte: Vieles verstand sich einfach von selbst.
Obwohl er und Riley so unterschiedlich waren wie Äpfel und Birnen, hatte er sich mit ihm immer besser verstanden als mit Brody. Mit Riley konnte er sich gut unterhalten, er hörte ihm gern zu, und Riley verstand ihn sogar am besten, obwohl sie oft völlig gegensätzliche Standpunkte einnahmen.
„Fragst du dich jemals …“, begann Finn, als sie vor dem Lokal angekommen waren, redete aber nicht weiter.
„Was?“
„Ach nichts.“ Finn öffnete die Tür, und sie gingen in das altmodisch und gemütlich eingerichtete Lokal, in dem sie gut bekannt waren.
Finn wollte Riley eigentlich fragen, wie der Jüngere sein Herz ständig so leichtfertig verschenken konnte und ob es den Kummer am Ende denn wert wäre.
Wie weh es tat, wenn einem jemand die Beziehung aufkündigte, wusste er. Aus Erfahrung und Beobachtung. Seiner Mutter war es so ergangen. Der Schmerz über den Verlust der Liebe hatte ihr Gesicht gezeichnet. Jeden Tag mehr.
Riley hatte das natürlich nicht mitbekommen, weil er damals noch zu klein gewesen war.
Finn schüttelte die bedrückenden Gedanken ab. Wahrscheinlich lag es am Frühlingswetter und dem Überhandnehmen glücklich verliebt aussehender Pärchen, dass er so ungewohnt trübsinnig wurde.
An sich mochte er sein Leben so, wie es war.
Er brauchte nichts weiter.
Ausnahmsweise bestellte Finn kein Bier, sondern Wasser und ein Sandwich. Riley entschied sich für Bier und ein Brot mit Corned Beef.
Als der Kellner gegangen war, klingelte Finns Handy. Einer von Finns Architekten war am Apparat und teilte mit, dass erneut ein Kunde zur wesentlich billigeren Konkurrenz überlaufen wollte.
Das ließ Finn nicht auf sich sitzen. Er rief den Kunden sofort an und hatte ihn innerhalb von wenigen Minuten überzeugt, dass es auf lange Sicht besser sei, einer etablierten Firma wie McKenna Designs das Vertrauen zu schenken statt eines Billiganbieters.
Riley lächelte anerkennend. „Ich bin froh, nicht zu deinen Konkurrenten zu zählen.“
„So ist nun mal das Geschäft.“
„Mich erinnert das eher an Guerillakampf.“ Riley schüttelte den Kopf. „Du bist doch gestern Abend hoffentlich nicht so mit Ellie Winston umgesprungen, oder?“
„Nein, im Gegenteil. Ich fürchte, ich war zu nett.“
Riley lachte ungläubig.
„Sie hat das Angebot angelehnt“, berichtete Finn. „Aber ich werde sie umstimmen. Ich habe schon eine Liste von Argumenten gemacht, die ich ihr präsentieren …“
„Für einen klugen Burschen kannst du manchmal ganz schön blöd sein“, unterbrach Riley ihn.
„Wieso? Ich argumentiere logisch und vernünftig. Jeder clevere Geschäftsmann würde …“
Wieder ließ Riley ihn nicht ausreden. „Da hast du sicher recht. Und wenn du drei Monate Zeit hättest, jedes Für und Wider und was auch immer an Kleinkram zu berücksichtigen, würde ich dir zustimmen. Du hast aber nicht so viel Zeit!“
Finn verkniff sich eine ablehnende Bemerkung, denn sein Bruder hatte ja recht. Und vielleicht eine gute Idee.
„Okay, Riley. Was rätst du mir?“
„Ganz einfach: Geh so vor, wie ich es tun würde.“
„Ich werde nicht mit Ellie Winston schlafen, um zu bekommen, was ich will“, erwiderte Finn finster.
„Du kränkst mich.“ Riley presste theatralisch eine Hand aufs Herz. „So etwas würde ich dir doch niemals raten. Du bist viel zu verklemmt und praktisch für eine derartige Vorgehensweise.“
„Aus gutem Grund“, meinte Finn.
Ja, sein Leben war durchgeplant und gut organisiert. Auch die Beziehung zu Lucy war so gewesen. Er hatte sich eine Gleichgesinnte als
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