Julia Extra Band 0198
keinen Fall etwas untergraben, das du ihm beigebracht hast.” Er stieß einen Seufzer aus und hatte plötzlich vollkommen den Faden verloren. Was er eigentlich wollte, war, Abby hier und jetzt zu küssen. Ihr Mund war nicht weit entfernt von seinem, denn immer wenn sie einen Punkt richtig klarstellen wollte, kam sie ihm gefährlich nahe. Er konnte nicht aufhören, an die Küsse zu denken, die sie miteinander geteilt hatten. Sie empfand noch etwas für ihn, und sie konnte ihn in Flammen aufgehen lassen mit einem einzigen Blick aus ihren unschuldigen Augen. Unglücklicherweise waren es diese Augen, die ihn immer wieder auf den Erdboden zurückbrachten.
Abby war eben eine unschuldige Person, die noch immer an Liebe und Märchenromantik glaubte. Ihm war bewusst geworden, dass sie genau das von ihm erwartete. Aber er glaubte nicht an die Liebe. Er hatte nur einmal Romantik mit ihr erlebt, und soweit es nach ihm ging, war Romantik zum Sterben verurteilt. Und wenn er sie nun heiratete, könnte es sein, dass er sie durch diese Einstellung stark verletzte. Und das wollte er auf jeden Fall verhindern.
Mit klopfendem Herzen trat er einen Schritt zurück. „Mir ist auch klar, dass wir beide einige Regeln brauchen.”
„Und du bist gewillt, dich nach mir zu richten?”
„Ja”, versicherte er ihr. Ihm war klar geworden, dass er ihr nicht der Ehemann sein konnte, den sie sich wünschte.
Genauso schnell, wie ihm der Gedanke kam, wurde er begleitet von der Erkenntnis, dass Abby auch von einer Ehe profitieren würde. Sie war alleinerziehend und nahezu bankrott. Nach einiger Zeit würde sie zweifellos feststellen, dass es ihr Leben unheimlich erleichtern würde, mit ihm verheiratet zu sein. Er könnte ihre finanziellen Probleme regeln, ihr viel Arbeit mit Tyler abnehmen und es für sie möglich machen, ihren Nebenjob im Restaurant aufzugeben.
Langsam formte sich in seinem Kopf ein Plan, wie er sie davon überzeugen konnte, dass Respekt, Freundschaft und Bequemlichkeit bessere Grundlagen für eine Ehe sein können als Liebe. Er musste allerdings zustimmen, ihre Beziehung platonisch zu halten, um ihr nahe genug kommen zu können, damit sie diese Dinge irgendwann erkannte.
Im eigentlichen Sinne betrog er sie nicht. Er gab ihr nur Zeit, ihn neu kennenzulernen und als Ehemann zu akzeptieren. Leider konnte er ihr keine märchenhafte Romanze bieten, aber er konnte sich um sie und Tyler kümmern.
„Mom! Mom! Steh auf! Hunter macht Pfannkuchen!”
Verschlafen öffnete Abby die Augen und drehte sich zu ihrem Wecker um. Als sie sah, dass es beinahe halb neun war, sprang sie hektisch aus dem Bett. „Tyler!”, rief sie. „Meine Güte! Geh in dein Zimmer und zieh dich an! Du kommst zu spät zur Schule!”
Tyler kicherte vergnügt. „Nein, komme ich nicht. Es ist Sonntag.”
Mit den Fingern entzauste Abby ihre Haare und hielt plötzlich inne. „Stimmt ja.”
„Und Hunter macht Pfannkuchen.”
„Ach ja?”, stammelte Abby, als sie oben im Flur stand.
„Ja”, antwortete ihr Tyler. „Und er hat gesagt, wenn du noch einen warmen abbekommen möchtest, musst du in fünf Minuten fertig sein.”
Etwas nervös räusperte sich Abby. „Okay, sag ihm, ich komme gleich!”
Unter der Dusche dachte Abby über den Verlauf der letzten drei Wochen nach. Sie waren wundervoll gewesen. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte Tyler einen Vater und genoss diesen Zustand sichtlich. Hunter war glücklich, Tyler war glücklich. Und sie selbst, ja, sie hatte einfach Angst.
Sie lebten wie eine richtige Familie zusammen. Bis auf die Tatsache, dass sie und Hunter keine romantische Beziehung zueinander hatten. Aber Abby fühlte sich deutlich versucht, und genau das war das Problem. Oder wenigstens ein Teil des Problems; der andere Teil war Tyler.
In die Pension war während Hunters Anwesenheit kein weiterer Gast gezogen, aber sie musste dennoch nicht übertrieben Geld sparen, denn Hunter glich diesen Umstand aus. Er brachte Tyler zur Schule, er kaufte ihm neue Sachen und ging Abby ab und zu beim Kochen zur Hand. Nach drei Wochen des Familiensegens fragte sich Abby, was Tyler wohl von der ganzen Sache hielt.
„Wo hast du gelernt, Pfannkuchen zu machen?”, erkundigte sie sich, als sie die Küche betrat, in der Hunter und Tyler glücklich beisammensaßen und sie angrinsten.
„Ich habe allein gelebt”, erklärte Hunter schlicht. „Ich bin ein exzellenter Koch.”
„Das sehe ich.”
Sogar der Tisch war schon gedeckt. Es war äußerst schwierig
Weitere Kostenlose Bücher