JULIA EXTRA BAND 0264
könnte alles Mögliche sein. Sein Zustand ist kritisch.â Er sah zu ihr hin. âIch dachte, du solltest es wissen. Seit Stunden versuche ich dich anzurufen. Wo warst du?â
âIch bin spazieren gegangenâ, antwortete sie tonlos.
âEs tut mir leid â¦â
âIch will nicht darüber reden.â Damit wandte sie das Gesicht wieder ab.
Der Zeitabstand war viel zu kurz, um erneut in einem Krankenzimmer die Hand eines sterbenden Mannes zu halten. Mit leerem Blick sah Ruby auf das vertraute alte Gesicht.
In den letzten Monaten hatte sie sich kaum Gedanken um Kyoto gemacht, weil sie zu beschäftigt mit ihrem eigenen Leben gewesen war. Sie hätte sich mehr um ihn kümmern müssen. Sie hätte mehr für ihn tun müssen. Sie hätte â¦
Eine Hand legte sich von hinten auf ihre Schulter.
âKomm, ich bringe dich nach Hause.â
Leise lieà sie sich von Zane aus dem Zimmer führen. âWird er es schaffen?â, flüsterte sie bedrückt.
âSie können nichts Sicheres sagen. Er ist alt, Ruby. Vielleicht können sie nichts mehr für ihn tun.â
Tränen schossen ihr in die Augen. Erst Laurence, jetzt Kyoto. Sie biss sich auf die Lippen. âDanke, dass du mich hergebracht hastâ, presste sie erstickt hervor.
Und dann versank sie in einen dämmrigen Zustand. Ihr Verstand schaltete ab, um den Schmerz nicht ertragen zu müssen. Erst als Zane den Wagen in die vertraute Auffahrt lenkte, schreckte sie auf.
âNein! Du hast gesagt, du bringst mich nach Hause. Ich will zu mir.â
âWir müssen reden.â
âUnd ich sagte, dass ich nicht reden will. Ich gehe nicht dort hinein, schon gar nicht, wenn sie da ist.â
âAnnelies ist weg.â
âUnd deshalb ist alles in Ordnung? Du schickst die eine weg, damit du dir die andere wieder ins Haus holen kannst? Ich komme nicht mit hinein, und ich will nicht reden!â
âEs ist nicht so, wie es aussieht. Es tut mir leid, ich hätte es dir früher sagen sollen. Annelies und ich hatten eine kurze Affäre, aber das ist schon Monate her. Ich hielt es nicht für wichtig.â
âEin Baby ist nicht wichtig?â
âDu kannst doch nicht glauben, das Kind sei von mir! Meinst du, ich würde meinem Kind so etwas antun? Für was für einen Schuft hältst du mich?â
âFür einen Schuft, der bereit ist, alles zu tun, um sich sein Geburtsrecht zurückzuholen, von dem er glaubt, man habe es ihm gestohlen.â
Er seufzte schwer. âRuby, ich kann alles erklären. Aber gib mir zumindest die Chance dazu. Komm mit ins Haus. Wir beide können einen Kaffee vertragen. Und vielleicht etwas Stärkeres.â
Sie lieà sich überreden und folgte ihm ins Wohnzimmer. AnschlieÃend wartete sie auf dem groÃen Sofa, bis er mit zwei Tassen Kaffee aus der Küche zurückkam und ihr eine reichte.
âHier. Du siehst aus, als könntest du sie gebrauchen.â
âDu wolltest etwas erklärenâ, meinte sie kühl, um seine Aufmerksamkeit von sich abzulenken. âAlso, fang an.â
Er lieà sich ihr gegenüber auf einem Sessel nieder und stellte sein Brandyglas auf den Tisch.
âIch traf Annelies auf einer Dinnerpartyâ, hob er an. âSie wirkte auf mich wie eine intelligente Frau, charmant und witzig, und ja, ich war interessiert an ihr. Wir begannen eine Affäre, doch es dauerte nicht lange, bis ich herausfand, dass Annelies emotionell instabil und unsicher war. Sie klammerte. Als ich unsere Beziehung abbrach, weigerte sie sich, es zu akzeptieren. Ich dachte, wenn ich in Australien bin, wird sie es endlich begreifen.â
âAber als du in London warst, hast du sie gesehen.â
âSie brauchte Hilfe. Deshalb kam sie zu mir. Sie hatte herausgefunden, dass sie schwanger war.â
âWarum ist sie nicht zum Vater des Kindes gegangen?â
âIst sie, aber er wollte nichts davon wissen. Sie war völlig aufgelöst, ich glaube, sie spielte sogar mit Selbstmordgedanken. Ich habe ihr einen Psychiater empfohlen, und der hat sie in eine Klinik eingewiesen, in der sie Ruhe und Zeit fand, über alles nachzudenken. Mir war nicht klar, dass sie meine Hilfe so interpretieren würde, als wolle ich unsere Beziehung wieder erneuern. Sie hörte nicht auf, mich anzurufen und Luftschlösser zu bauen. Und gestern ist sie einfach hier aufgetaucht. Auf meine Einladung jedenfalls
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