JULIA EXTRA BAND 0264
enthalten hatten.
âKyoto!â, rief er noch einmal und wandte sich dann wieder Annelies zu. âKyoto wird dir ein Taxi rufen. Ich will, dass du augenblicklich von hier verschwindest.â
âAber du wusstest doch, dass ich komme. Ich habe dich angerufen.â
âUnd ich riet dir, das Ticket zu stornieren!â
âWohin fährst du jetzt?â Ihre Stimme brach gekonnt, das Startzeichen für die unvermeidlichen Tränen.
âWas glaubst du wohl? Den Schaden wiedergutmachen, den du angerichtet hast.â
Er betrat das kühle Innere des Hauses. âKyoto!â Wo blieb der Mann nur? Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für ein Nickerchen!
âDu liebst sie, nicht wahr?â Annelies klang wütend. Die Tränen hatte sie offensichtlich als nutzlos aufgegeben.
Für einen Sekundenbruchteil wollte er sie anbrüllen, dass sie falsch lag. Ebenso falsch wie mit ihrer Hoffnung, eine Beziehung mit ihm hätte auch nur die geringste Chance. Doch dieses Mal hatte Annelies die Wahrheit gesagt.
Er liebte Ruby!
Wie hatte er das so lange nicht merken können? Wieso hatte er die Wahrheit nicht erkannt? Angst und Wut mischten sich in ihm, seine Gedanken und Gefühle wirbelten durcheinander, als er in die Küche stürmte.
Und dort fand er Kyoto.
Der Strand von Cable Beach zog sich endlos dahin, verlor sich in beiden Richtungen am Horizont. Ruby stellte sich vor, dass auch sie im Nichts verschwinden würde, wenn sie nur lange genug weiterwanderte. Es war eine verlockende Vorstellung.
Der auffrischende Wind wirbelte Sand in ihr Gesicht. Die meisten Strandbesucher waren bereits gegangen, doch ihr machte es nichts aus. Ihre Augen waren so oder so geschwollen, sie versuchte erst gar nicht, das Gesicht vor dem Wind zu schützen. Von den Elementen hatte sie nichts zu befürchten.
Nein, es waren die Menschen, die einem die tiefsten Schnitte zufügten. Menschen, denen man vertraute und die einen dann fallen lieÃen.
Ruby wanderte weiter über den verlassenen Strand, die Sandalen in einer Hand. Heranschäumende Wellen spülten ihr über die nackten Zehen. Sie wusste nicht, wie lange sie hier schon so lief. Es war ihr auch gleich. An Erlösung bringenden Schlaf war nicht zu denken. Eine Stunde des unruhigen Wälzens im Bett hatte es ihr klargemacht.
Also wanderte sie weiter, bis die im Meer versinkende Sonne ihr sagte, dass es Zeit war, zum Strandhaus zurückzukehren.
Das Licht am Anrufbeantworter blinkte, als sie hereinkam. Es berührte sie nicht. Im gleichen Moment begann das Telefon zu klingeln. Sie nahm nicht ab. Sollte es Zane sein â¦, sie wollte nicht mit ihm sprechen. Mit allen anderen gab es im Moment nichts Dringendes zu bereden.
Ruby ging ins Bad und stellte sich unter die Dusche, um sich die sandverkrusteten Tränenspuren abzuwaschen. Sie wünschte, auch die Spuren auf ihrem Herzen lieÃen sich so einfach wegspülen.
Kaum war sie aus dem Bad heraus, als es an der Haustür hämmerte. Sie ging nicht hin, sie wusste, wer es war. Zane. Wenn sie sich still verhielt würde er sicher bald wieder gehen.
âRuby! Mach auf!â
Sie hielt sich die Ohren zu und überlegte, ob sie sich im Bad einschlieÃen und das Wasser wieder anstellen sollte, damit sie ihn nicht hören musste.
âRuby!â
âGeh weg! Ich will dich nicht sehen!â
âDu musst mitkommen. Kyoto â¦, er ist zusammengebrochen!â
âWas ist passiert?â, fragte Ruby, als sie sich in Zanes Wagen anschnallte. Bemüht vermied sie es, seinem Blick zu begegnen.
Sie gab ein fürchterliches Bild ab, die Augen rot geweint, das Haar noch feucht und strähnig vom Duschen, und doch war sie das Schönste, was Zane seit Langem gesehen hatte.
Er legte den Arm auf ihren Sitz. âRuby, wir müssen reden.â âHöchstens über Kyoto.â
âAber â¦â
Abrupt wandte sie sich zu ihm um. âHattest du nicht gesagt, wir müssen uns beeilen, um in die Klinik zu kommen?â
Die Kraft ihrer umschatteten Augen traf ihn mit voller Wucht. Ihm war klar gewesen, dass es nicht einfach werden würde, den Schaden wiedergutzumachen, aber wie sollte er jemals richten können, was er in diesem Blick erkannte?
Hart legte er den Gang ein. âIch fand Kyoto bewusstlos auf dem Boden in der Küche.â
âDas Herz?â
âSie wissen es noch nicht, sie untersuchen ihn gerade. Er ist alt, es
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